Fey 01: Die Felsenwächter
sich an diese Unterhaltung erinnern würde. »Und Ihr habt mir erzählt, daß sie in den Körper eines Mannes eindringen können, der ihnen dann zu Willen sein muß.«
Jetzt war es so still im Raum, daß alle Egans schweren Atem hören konnten. Alle blickten auf Alexander, außer Nicholas, der Stephan nicht aus den Augen ließ.
»Was geschah in jenem Korridor, Stephan, mit der Fey-Frau?«
Stephan berührte die Narbe auf seiner Wange. »Das habe ich Euch bereits erzählt«, sagte er. »Sie zerriß ihre Fesseln und griff mich an. Als ich wieder zu mir kam, war sie fort, auf dem Boden lagen Knochen, und die Wachen beugten sich über mich, weil sie glaubten, ich liege im Sterben.«
»Warum hat sie Euch nicht getötet?« fragte Alexander eindringlich.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht hielt sie es für unnötig. Vielleicht wehrte Lord Powell sich verzweifelter.«
»Ich denke, die Fey können durch bloße Berührung töten?«
»Nicht alle von ihnen. Das habe ich Euch doch schon alles erzählt. Ich sagte, einige von ihnen verfügen über diese Fähigkeit.«
»Glaubt Ihr, daß sie zu diesen gehörte?«
»Offenbar schon«, antwortete Stephan. »Oder wie ist Lord Powell sonst gestorben?«
»Warum hat sie dann nicht auch Euch auf die gleiche Weise umgebracht? Sie hat Euch doch berührt, oder?«
Stephan blieb die Antwort schuldig. Er stand mit leicht geöffnetem Mund da, als empörte ihn dieses Verhör. »Ihr Messer hat mich berührt«, sagte er schließlich.
»Ihr Messer hat Euch berührt«, wiederholte Alexander. »Und warum wart Ihr dann bewußtlos? Hat sie Euch berührt oder nicht, Stephan?«
»Was versucht Ihr, mir zu unterstellen, Sire? Daß sie in mich eingedrungen ist?«
»Jemand hat ihre Fesseln durchgeschnitten, Stephan. Jemand hat sie befreit. Lord Powell ist tot.«
Stephan wurde rot. »Das hätte jeder machen können«, erwiderte er. »Jemand anders hätte ihr helfen können. Euer Sohn war auch dabei. Warum hat sie ihn nicht angegriffen? Habt Ihr Euch das schon einmal gefragt?«
Alexander ballte die Fäuste. »Wollt Ihr damit sagen, daß Nicholas verzaubert ist?«
Nicholas riß die Augen auf. Er starrte seinen Vater ungläubig an. »Vater …«
Alexander gebot ihm Schweigen. Nicholas mußte warten. Alexander durfte sich jetzt nicht ablenken lassen. Noch nicht. »Versucht nicht, das Thema zu wechseln, Stephan. Wir sprechen von Euch.«
Stephan klammerte sich an die Tischkante. »Warum klagt Ihr mich an? All die Jahre habt Ihr mir vertraut!«
»Jemand hat die Fey vor dem Angriff letzte Nacht gewarnt. Ihr und Nicholas wart die einzigen, die in den Plan eingeweiht waren.«
Die Lords sahen entgeistert aus. Monte griff nach dem Messer an seinem Gürtel. Nicholas stand auf.
»Und Euren Sohn wollt Ihr nicht anklagen?« schleuderte Stephan Alexander mit einem Knurren entgegen, das dieser noch nie von ihm gehört hatte. Seit er Stephan kannte, hatte der Waffenmeister noch nie mit derartiger Verachtung gesprochen.
Alexander handelte, ohne nachzudenken. Er wirbelte herum, ergriff die Waschschüssel und schleuderte Stephan ihren Inhalt entgegen. Stephan schrie auf, sprang aus seinem Stuhl, packte Nicholas und hielt ihn wie einen Schutzschild vor sich. Das Wasser spritzte auf Stephans Stuhl und den Tisch und tropfte auf den Boden zu Stephans Füßen, berührte ihn jedoch nicht.
Lord Fesler griff nach einer der Flaschen auf dem Wandbord. Monte erhob sich mit gezücktem Messer. Auch Stephan zog sein Messer und setzte Nicholas die Spitze an die Kehle.
»Wenn Ihr das tut«, rief Stephan Fesler zu, »hat dieser jämmerliche Waschlappen von einem Jungen sein Leben verwirkt.«
»Tut es«, sagte Nicholas mit gepreßter Stimme. »Er wird nicht einmal Zeit haben, mir etwas anzutun.«
Alexander packte die triefende Schüssel. Er keuchte, und sein Herz klopfte wie rasend. Was er auch tat, er setzte das Leben seines Sohnes aufs Spiel. »Was haben sie mit Euch gemacht, Stephan?« fragte er leise. »Ich habe geglaubt, wir alle wären unbestechlich.«
»Ach ja?« höhnte Stephan. »Jeder hat seinen schwachen Punkt.«
»Das ist nicht mehr Stephan«, murmelte Nicholas. Ein Blutstropfen rann über seinen Hals und verschwand unter seinem Hemdkragen. »Wenn er wirklich Stephan wäre, brauchte er nicht solche Angst vor dem Weihwasser zu haben.«
»Dieser Junge hält sich für verdammt schlau«, knurrte Stephan. »Aber was weißt du schon von den Fey und ihren Zauberkünsten? Nichts. Gar nichts. Vielleicht bricht das Wasser
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