Fey 02: Das Schattenportal
übermäßig gepolsterten Sessel neben dem des Rocaan. Am liebsten hätte er ein Fenster aufgemacht und frische Luft hereingelassen. »Erzählt mir von Eurer Idee.«
Der Rocaan schüttelte den Kopf. »Es ist keine Idee, Matthias. Es ist ein Plan, den wir auch umsetzen werden.«
Matthias konnte es nicht leiden, wenn der Rocaan so mit ihm umsprang. Genau dieser Haltung hatte der Rocaan seine Erschöpfung zu verdanken: Jeder Beerdigung mußte er wie ein einfacher Danite Vorsitzen, und jedem kleinen Hinweis die Fey betreffend mußte er persönlich nachgehen. »Und wie lautet dieser Plan?«
»Wir werden ein Treffen mit den Fey vereinbaren.«
Matthias erschrak. Das konnte doch nicht wahr sein! War das der Grund für Nicholas’ zweiten Besuch am Vorabend gewesen? »Hat sich der König das ausgedacht?«
Der Rocaan schüttelte den Kopf. »Ihr werdet es Euch ausdenken. Ich habe ausführlich darüber nachgedacht. Wir werden in der kleinen Kapelle unweit des Blumenflusses mit ihren Anführern zusammentreffen.«
»Wir? Wer ist wir?« fragte Matthias. Sein Herz schlug wie wild.
»Einige Angehörige des Tabernakels. Nicht viele.«
»Niemand aus dem Palast? Maßen wir uns da nicht an, Staatspolitik zu betreiben, wo wir uns doch eigentlich um die Belange der Seele kümmern sollten?«
Der Rocaan hob den Kopf. Seine runden Augen zeigten ein Glitzern, das Matthias noch nicht oft in ihnen gesehen hatte. »Manchmal sind die Belange des Staates auch die Belange der Seele. Ich glaube, unser Problem liegt darin, daß wir das in der Vergangenheit allzu oft übersehen haben.«
»Ich bitte um Vergebung, Heiliger Herr«, sagte Matthias, »aber was erhofft Ihr Euch davon?«
Der Rocaan schlang die Decke enger um seinen Körper. »Ich hoffe, die Fey damit von dieser Insel zu vertreiben.«
»Indem Ihr Euch mit ihnen trefft?« Matthias schüttelte den Kopf. »Sie hören nicht auf die Stimme der Vernunft. Alles, was wir über sie wissen, deutet darauf hin.«
»Ich glaube nicht, daß es jetzt auf die Vernunft ankommt. Ich glaube, Gott wird uns helfen.« Die Hand des Rocaan kam unter der Decke hervor. »Hört mir erst einmal zu.«
Matthias’ Mund war ausgetrocknet. Eine Schweißperle rann an seiner Schläfe herab und fiel auf sein Gewand. Es war stickig in dem Zimmer. »Na schön«, sagte er.
»Wir wissen bereits, daß Gott mit uns ist, sonst hätte Er uns nicht mit dem Weihwasser und seiner einzigartigen Wirkung ausgerüstet. Es hat mich ein Jahr gekostet, bis ich mich mit dieser Wirkung versöhnen und Fey als das sehen konnte, was sie sind: unmenschliche Kreaturen aus der Unterwelt, die versuchen, diese Welt zu erobern. Die ganze Zeit über habe ich nichts Gutes in ihnen gesehen. Je länger wir den Kampf gegen sie hinausschieben, desto bösartiger werden sie. Die Entweihung des Tabernakels ist nur ein Schritt. Schon bald werden sie die Macht des Weihwassers völlig überwunden haben.«
»Aber wenn Gott mit uns ist, wird er das nicht zulassen«, gab Matthias zu bedenken.
»Gott hat uns seine Werkzeuge überlassen, Matthias, aber wir müssen sie gebrauchen. Damit habt Ihr recht gehabt. Vergebt mir bitte meine Arroganz – ich habe mich geirrt.«
Matthias wischte sich mehr Schweiß von der Stirn. Direkt neben ihm sandte das knisternde und knackende Feuer einen Funkenregen den Kamin hinauf. »Ihr habt Euch hinsichtlich des Weihwassers geirrt?«
Der Rocaan nickte. »Euer Instinkt war richtig, aber Ihr habt aus dem falschen Grund gehandelt. Ihr habt aus Furcht gehandelt und Euch durch die Worte gerechtfertigt. Trotzdem hat Euch der Heiligste geleitet und zur richtigen Lösung geführt. Ich habe das ganze letzte Jahr darüber nachgedacht und bin, wenn auch aus anderen Gründen, zum gleichen Schluß gekommen.«
Die Hitze machte Matthias schwindelig. Er hatte Mühe, sich zu konzentrieren. »Dürfte ich wohl ein Fenster aufmachen?« fragte er.
Das Lächeln des Rocaan wirkte jämmerlich. »Wenn ich nicht genug geschlafen habe, wird mir kalt«, sagte er, und es klang wie eine Entschuldigung. »Macht nur, aber gebt mir vorher noch eine Decke.«
Matthias erhob sich und zog den Vorhang vom nächstbesten Fenster zur Seite. Dann zog er den Überwurf von einem Sessel und reichte ihn dem Rocaan. Vom Fenster her wehte ein kühler Luftzug herein, der die Stickigkeit vertrieb.
Der Rocaan wickelte sich den Überwurf um die Beine. »In den Geschriebenen Worten wird der Feind erwähnt, aber es wird nicht genau erklärt, wer er ist. Die Ungeschriebenen
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