Fey 02: Das Schattenportal
Reaktion des Torkreises, den er nach der jahrhundertealten Anleitung eines Visionärs errichtet hatte, hatte er mehr unter Kontrolle. Das letzte Schattenland hatte sich allmählich um sie herum aufgelöst, und jetzt fing dieses hier an, seine eigenen Regeln aufzustellen. Er war einfach nicht darauf vorbereitet, sich mit derlei Dingen auseinanderzusetzen.
Seine Bücher und Unterlagen hatte er auf Nye zurückgelassen. Er hatte keinen anderen Visionär dabei, den er befragen konnte, ob dieses Verhalten des Torkreises normal war. Da ihm derlei noch nie zuvor untergekommen war, vermutete er, daß dem nicht so war – und er hatte in seinem Leben schon so manche merkwürdigen Dinge in das Schattenland eintreten sehen.
»Papa!« Jewel kniete vor ihm. Er hatte sie nicht bemerkt. »Ich bin sicher, Sucher wartet schon auf dich.«
Rugar nickte. Er hatte immer noch sie, doch schon bald würde sie wissen, daß es Löcher in seinen Visionen gab, Löcher, die womöglich Zwischenfälle wie diesen hier verursachten.
»Weißt du, warum sich das Tor so aufgeführt hat?« fragte sie.
»Leider nicht«, antwortete er. Dann erhob er sich. Sein Körper war verspannt. Nicht, weil er so lange gesessen hatte, sondern aufgrund seiner inneren Anspannung. Er schüttelte die Glieder und machte sich auf den Weg zur Hütte.
Er wollte nicht darüber nachdenken, was Sucher zu seiner alleinigen Rückkehr bewogen haben mochte. Wenn Tel wirklich tot war, dann war Sucher der letzte Doppelgänger, der ihm blieb. Der Schwarze König hatte einmal gesagt, Rugar verlasse sich zuviel auf seine Doppelgänger. Hier hatten sie ihm nicht allzuviel genutzt.
Das Problem bestand darin, daß Solanda somit zu seinen einzigen Augen und Ohren auf der Insel wurde. Ihre Beurteilungen waren präzise, aber wenn er sie brauchte, war sie nie da.
Sucher wartete bereits vor der Hütte. Er trug ein Paar weite Kniehosen und ein zu großes Hemd. So nah vor ihm wirkte sein Inselkörper zerbrechlich, der kleine Wuchs ließ die schlanke Gestalt kränklich aussehen.
»Komm mit hinein«, sagte Rugar. »Wir unterhalten uns besser unter vier Augen.«
Sucher folgte ihm nach drinnen, wo Rugar im Kamin Feuer anzündete. Er mußte dieses innere Frösteln loswerden. Er vermutete, daß es weniger mit der Temperatur als mit seinen eigenen Anspannungen zu tun hatte. Trotzdem konnte ein Feuer nicht schaden.
Er stützte die Hände auf die Knie und blickte Sucher an. »Na schön«, sagte Rugar. »Und jetzt erzähl mir, wie das Gift hergestellt wird.«
Sucher betrachtete seine Hände. »Ich weiß es nicht.«
»Du kamst in der Kleidung eines Schwarzkittels herein. Wie kommt es, daß du das Geheimnis nicht kennst?«
»Ich dachte, Ipper hätte dich darüber informiert, daß die Daniten keinen Zugang zu dieser Information haben.«
»Und ich hielt dich für schlau genug, es trotzdem herauszufinden.«
Sucher setzte sich. Rugar schluckte seine Verärgerung hinunter. Er hatte Sucher keinen Platz angeboten, aber er würde sein Verhalten vorerst durchgehen lassen.
»Es ist gefährlich da draußen«, hob Sucher an. »Alles mögliche kann einen da umbringen. Sie benetzen alle möglichen Dinge mit ihrem Gift, und gerade als Danite wurde von mir erwartet, daß ich ständig flaschenweise damit hantiere und es über irgendwelche Dinge gieße. Ich komme ständig damit in Berührung.«
»Und? Bist du das?« brauste Rugar auf.
Sucher schüttelte den Kopf. »Nur einmal, beim Mitternachtssakrament, mußte ich ein Fläschchen in der Hand halten, und das hat mir nichts ausgemacht. Ich glaube, es ist mir gelungen, nichts von dem Gift abzubekommen. Bei anderen Gelegenheiten achtete ich darauf, nicht zu nahe an das Zeug heranzukommen. Man beobachtete mich. Ich glaube, sie schöpften Verdacht. Auch wenn du mir die Rückkehr nicht befohlen hättest, wäre ich wohl bald zur Flucht gezwungen gewesen.«
»Dein Leben aufs Spiel zu setzen war sinnlos, wenn du nicht hinter das Geheimnis gekommen bist.«
Sucher hielt den Kopf gesenkt. »Das eine oder andere habe ich herausgefunden.«
»Zum Beispiel?«
»Daß es nicht, wie wir dachten, aus einem Fluß oder einem Teich stammt. Der Rocaan stellt es her. Das Geheimnis wird von einem Rocaan auf den anderen weitergegeben. Sonst kennt es keiner.«
»Ich dachte, du hättest Ipper berichtet, zwei Leute wüßten darüber Bescheid?«
Sucher nickte und hob den Kopf. Seine Wangen waren rot angelaufen. »Ich vermute, daß am Tage unserer Invasion der Rocaan einem seiner
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