Fey 02: Das Schattenportal
Heiligsten ist selten, und ich bin sicher, sie wird Euch niemals im Stich lassen.«
Matthias schüttelte den Kopf. Das alles ergab keinen Sinn.
»Ich schüttete den Fey das Weihwasser entgegen, weil ich Angst vor ihnen hatte und weil mir keine andere Waffe zur Verfügung stand … nicht, weil ich eine zarte, leise Stimme in meinem Kopf vernahm. Vergebt mir, Heiliger Herr. Ich wäre sehr gerne Rocaan, und vielleicht aus lauter falschen Beweggründen, aber ich glaube, ich wäre keine gute Wahl. Wählt einen anderen, dem ich mit Rat und Tat zur Seite stehen kann, das wäre für alle das sicherste.«
Der Rocaan zog seine Hand unter den mehrfachen Lagen Decken hervor und tätschelte Matthias’ Knie. »Ihr seid meine Wahl, Matthias.«
»Ihr rechnet damit, auf dieser Reise zu sterben, habe ich recht?«
Der Rocaan zog die Hand wieder unter die Decken zurück. »Ich weiß es nicht«, sagte er stirnrunzelnd. »Wir haben nur diese uralten Geschichten. Möglicherweise kehre ich nicht zurück. Vielleicht bin ich nicht erfolgreich. Doch ich glaube, daß ich auch nach einem Fehlschlag wiederkomme. Nicht einmal die Fey würden einen so alten Mann ermorden.«
Matthias rieb die gefalteten Hände aneinander. Das alles ergab auf schreckliche Weise einen Sinn, und wenn er es geschehen ließ, standen seine Chancen, Rocaan zu werden, nicht schlecht. Aber er konnte es nicht auf diese Weise geschehen lassen. »Wenn Ihr mich zurücklaßt, muß ich den König davon informieren.«
Der Rocaan sah ihn mißmutig an. »Matthias, wolltet Ihr denn nicht schon seit langem Rocaan werden?«
»Natürlich«, gab Matthias zu. »Ich glaube, jeder Älteste, der etwas anderes behauptet, lügt, ganz egal, wie rein sein Glaube sein mag. Aber ich möchte nicht, daß es geschieht, weil Ihr auf eine besonders ehrenhafte Weise Selbstmord begeht, nur weil Ihr Euch für diesen ganzen Krieg verantwortlich fühlt.«
Der Rocaan lehnte sich zurück. Er schien geschrumpft zu sein. »Glaubt Ihr wirklich, daß ich das vorhabe?«
»Es gibt keine andere Erklärung dafür«, sagte Matthias. »Ihr seid nicht der Roca. Er trat diesen Soldaten nicht in der Erwartung gegenüber, ein Märtyrer zu werden. Ihr schon. Und das ist falsch. Es ist so arrogant wie meine Zustimmung, Euch ziehen zu lassen, nur damit ich Rocaan werde.«
Der Rocaan schloß die Augen. Einen Augenblick dachte Matthias schon, er sei ohnmächtig geworden. Dann sagte der Rocaan: »Ihr wißt, daß ich diesen Posten schon so lange innehabe, daß ich in mir nichts anderes als den Rocaan sehe. Fragtet Ihr mich nach meinem Namen, ich würde, ohne nachzudenken, antworten, ich sei der Rocaan, erst dann fiele mir mein richtiger Name ein.« Seine Stimme klang dünn, fast quäkend.
Matthias saß reglos auf seinem Sessel. Vielleicht lenkte der Rocaan jetzt ein.
»Ich habe sehr oft darüber nachgedacht. Was ist besser, als der Rocaan zu sein? Natürlich ein zweiter Roca zu sein. Mein Volk zu retten. Vielleicht bin ich arrogant. Kann schon sein.« Er öffnete die Augen und sah Matthias an.
Matthias rührte sich nicht. Wenn es ihm gelang, dem Rocaan diesen Plan auszureden, war es besser für sie alle.
»Aber was bringt es, wenn ich aus Angst davor, arrogant zu sein, versäume, das Richtige zu tun? Was geschieht, wenn ich in meinem Bemühen, demütig zu sein, ausgerechnet das nicht tue, wozu ich eigentlich da bin?«
Matthias konnte ihm keine Antwort darauf geben. Das Dilemma der Gläubigen. Er räusperte sich. »Die zarte, leise Stimme sollte …«
»Die zarte, leise Stimme. Die zarte, leise Stimme hat schon seit Generationen nicht mehr gesprochen!« Der Rocaan rückte weiter nach vorne. Er sah jetzt richtig wütend aus. Die Decke fiel ihm von den Schultern. Sie waren schmal und knochig, alles andere als die Schultern, die ein ganzes Volk zu tragen vermochten. »Und vielleicht hat sie deshalb nicht mehr gesprochen, weil die Rocaans nicht das getan haben, wozu sie eigentlich da sind. Vielleicht wird von uns allen erwartet, auf die eine oder andere Weise und unter den Umständen unserer jeweiligen Zeit Märtyrer zu sein.«
»Ihr verdreht die Logik«, sagte Matthias. »Wir wissen nicht, was nach dem Tod des Roca mit den Soldaten des Feindes geschah. Wir wissen es nicht. Vielleicht ist sein eigenes Volk so wütend geworden, daß es die Soldaten von der Insel verjagt hat. Vielleicht hatte das alles überhaupt nichts mit Gott zu tun.«
Der Rocaan erbleichte. »Das ist Gotteslästerung«, flüsterte er.
»Wenn es
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