Fey 02: Das Schattenportal
eine Armee aufstellen und die Schattenlande angreifen sollen. Diese Aktion hätten alle unterstützt. Wir wären die Fey vielleicht losgeworden.«
»Das können wir immer noch tun«, sagte sein Vater.
Nicholas schüttelte den Kopf. Kaltes Wasser tropfte ihm von Wangen und Schultern. »Nein, Vater. Das wäre nur innerhalb eines Tages möglich gewesen, damals, als die Fey in einer ebenso schlechten Verfassung wie wir waren. Danach waren sie auf einen Angriff vorbereitet.«
»Ich dachte, Fledderer …«
»Du hast dich auf einen von ihnen verlassen«, sagte Nicholas, der das Vertrauen seines Vaters noch immer nicht begreifen konnte.
»Ihr hättet das gleiche getan«, warf Lord Stowe ein.
Nicholas beachtete ihn nicht. »Haben wir etwas von Fledderer gehört? Wissen wir, ob er Jahn wirklich verlassen hat? Nein. Wir sind nicht geübt in der Kunst der Intrige. Eines Tages werden wir einen noch größeren Fehler als der Rocaan begehen. Eines Tages verlieren wir die Blaue Insel vielleicht ganz.«
Sein Vater blickte wieder nach hinten. Nicholas war laut geworden. Die Fey schienen nichts davon bemerkt zu haben. Auch sie stritten heftig. Jewel sprach mit Nachdruck und gebrauchte ihre Hände, um ihre Gedanken zu akzentuieren.
»Außerdem«, sagte Nicholas, »hat Jewel einen weiteren Punkt angeführt, über den wir nur selten reden: den Schwarzen König.«
»Ich habe über den Schwarzen König nachgedacht«, entgegnete sein Vater. »Deshalb erlaube ich den Fey auch nicht, das Eiland zu verlassen.«
»Aber weiter hast du nicht gedacht«, sagte Nicholas. »Sie hat recht. Wenn wir sie vernichten, rufen wir damit eine noch größere Vergeltungsaktion hervor. Es wird wohl nicht mehr in deiner Regierungszeit passieren, Vater, aber mit Sicherheit in meiner.«
»Dann bereiten wir uns eben darauf vor«, sagte Lord Stowe. »Jede Menge Weihwasser und Wächter an der Mündung des Cardidas.«
»Und wenn sie ein Gegenmittel für das Weihwasser finden? Was ist, wenn sie andere Arten von Fey mitbringen, von denen dein Freund Fledderer nichts erzählt hat? Woher weißt du, daß der junge Fey überhaupt die Wahrheit über die Fähigkeiten der verschiedenen Sorten gesagt hat? Du weißt es nicht. Wir stehen mit leeren Händen da, noch schlechter als vor dem Tod des Rocaan.« Wieder hatte Nicholas die Stimme erhoben. Er holte tief Luft.
»Ihr wollt es tun«, sagte Lord Stowe. »Ihr wollt mit dem Mädchen ins Bett gehen. Euer Hoheit, sagt dem Jungen, daß derlei Lust rasch verfliegt.«
Nicholas errötete. Er konnte sein Verlangen nach ihr nicht abstreiten. Wahrscheinlich war es aus jedem seiner Blicke zu lesen. Seit dem Beginn der Vorverhandlungen hatten sich seine Träume verstärkt, und sie war in jedem von ihnen vorgekommen, nackt und verführerisch.
Sein Vater musterte ihn. »Du glaubst doch daran, Nicky?«
Nicholas nickte. »Ich glaube, es wird funktionieren.«
»Der Fey, Fledderer, sagte mir, daß die Fey ihre Abmachungen niemals einhalten.«
»Offensichtlich, denn er hat es so gemacht«, konterte Nicholas. »Wie aber wollen sie diese Abmachung brechen, ohne die Enkelin des Schwarzen Königs zu opfern?«
»Sie sind rücksichtslos, Nicky. Es könnte sein, daß sie sie zum Wohle aller opfern.«
Nicholas schluckte. Das kam ihm sinnlos vor. »Aber es ist ihre Idee.«
»Es scheint ihre Idee zu sein«, sagte sein Vater.
Daran hatte Nicholas nicht gedacht. Er warf einen verstohlenen Blick zu dem Tisch hinüber. Jewel schlug mit der Faust auf die Platte. Sie sah stark genug aus, um sich selbst zu verteidigen. Sie konnte unmöglich von jemand anderem vorgeschoben worden sein. Niemand würde es wagen, sie so zu behandeln.
»Was ist, wenn wir nicht auf ihren Vorschlag eingehen und sie hat recht?« wollte Nicholas wissen. »Wieviel andere Kreaturen haben sie noch? Können sie auch Matthias töten? Oder dich?«
»Und was ist, wenn das alles nur ein Trick ist, um näher an uns heranzukommen?« fragte Lord Stowe zurück.
»Dann hätten sie auch etwas anderes tun können, so wie bei dem Treffen mit dem Rocaan.« Nicholas schüttelte den Kopf. »Dieses Angebot ist ehrlich gemeint. Es wird uns allen helfen.«
»Es wird die Dinge nicht mehr so machen, wie sie einmal waren«, sagte Lord Stowe. Er lehnte sich gegen den Felsen, das Gesicht halb vom Nebel verhüllt.
»In dem Augenblick, in dem die Fey die Felsenwächter passierten, veränderte sich unser Leben unwiderruflich«, entgegnete Nicholas. »Was wir auch tun, wir können nicht mehr
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