Fey 03: Der Thron der Seherin
weiter versuchen, die beiden Kulturen zu verschmelzen. Darin sehe ich meine Aufgabe. Und ich werde es auf meine Weise versuchen. Meine Pläne allerdings schließen Matthias aus.«
»Schlössen sie vielleicht einen anderen Rocaan ein?« fragte Egan.
Nicholas atmete tief durch. Das war eine Möglichkeit, die er überdacht und dann verworfen hatte. »Ich weiß es nicht«, erwiderte er. »Ich weiß nur eines: Einem Mann, der im Namen seiner Religion einen vorsätzlichen Mord begeht, muß die Verantwortung für diese Religion entzogen werden.«
»Schlagt Ihr eine Art Marionette als Religionsoberhaupt vor?« fragte Holbrook.
»Falls nötig, ja«, antwortete Egan.
»Es wird nicht nötig sein«, sagte Nicholas. »Ich werde alles vorbereiten, damit Matthias den Fey übergeben wird und wir im Austausch ihren Mörder ausgeliefert bekommen.«
»Ich kann diesen Plan nicht gutheißen«, entgegnete Canter.
Die Wut, die Nicholas den ganzen Nachmittag unterdrückt hatte, stieg so plötzlich in ihm auf, daß er beinahe die Fäuste gegen Canter erhoben hätte. Aber er holte tief Luft, wie es sein Vater ihn gelehrt hatte, und wartete, bis der Zorn verebbt war.
»Ihr werdet ihn gutheißen«, sagte Nicholas so gelassen wie möglich. »Ihr werdet ihn unterstützen, denn sonst werde ich Euch, so wahr mir Gott helfe, Eure Länder und Euren Titel und alles, was Ihr habt, entziehen, und zwar so schnell, daß es Euch gänzlich unvorbereitet trifft.«
»Das würdet Ihr nicht wagen«, antwortete Canter. »Ihr seid ein neuer König, Ihr steht auf unsicherem Boden, Ihr seid ein Fey-Günstling und ein Mann des Friedens.«
»Ich kann und werde es tun«, versicherte Nicholas. »Abgesehen von Sebastian gibt es keinen rechtmäßigen Thronfolger außer mir, und ich werde dafür sorgen, daß sich kein anderer Regent auf den Thron drängt. Keiner von Euch ist in der Lage, dieses Land zu führen. Es gibt nur mich, niemanden sonst. Also müßt Ihr schon mit mir und meinen Beschlüssen vorliebnehmen. Und einer meiner Beschlüsse, Lord Canter, legt fest, daß Ihr mich in allem, was Ihr sagt und tut, unterstützt, oder ich beschlagnahme alles, was Ihr habt und seid und jemals sein werdet. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
»Niemand kann mittels Tyrannei herrschen«, entgegnete Canter.
»Ein Mann muß mit Strenge und Würde herrschen«, sagte Nicholas. »Mein Vater hat Euch mit Freundlichkeit und Nachsicht geführt. Es hat ihn das Leben gekostet. Ich muß leben, bis meine Tochter volljährig ist, und das werde ich auch, mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln. Werdet Ihr mich dabei unterstützen, Canter?«
Canter blickte Nicholas fassungslos an.
Nicholas nickte, als sei das die Antwort. Er hob den Saum seiner Robe und stieg die Stufen langsam wieder empor.
»Einen Moment, Hoheit«, sagte Canter. »Ich werde Euch unterstützen.«
Nicholas lächelte leise, bevor er sich umwandte. Er wußte selbst nicht, woher diese plötzliche Kälte in ihm kam, aber er lernte schnell, sie für seine Zwecke einzusetzen, durch sie zu überleben, sich davon leiten zu lassen. Als er Canter wieder anblickte, war das Lächeln aus seinem Gesicht verschwunden.
»Ihr werdet mich in allem unterstützen, Lord Canter«, entgegnete Nicholas. »In Euren Taten und Worten. Wenn mir auch nur der geringste Fehltritt zu Ohren kommt, werde ich Euch Eure Länder und Titel so schnell entreißen, daß Euch nicht einmal Zeit genug bleibt, Eure kostbarsten Besitztümer rechtzeitig wegzuschaffen.«
Holbrook runzelte die Stirn. »Hoheit, ein Mann sagt mitunter Dinge …«
»In der Tat, die Menschen reden so allerlei«, sagte Nicholas.
»Aber für Lord Canter ist das nicht möglich, wenn ihm daran liegt, seinen Titel zu behalten. Und solltet Ihr die Angewohnheit haben, im Schlaf zu reden, dann rate ich Euch, in Zukunft allein zu schlafen. Ich hoffe, Ihr habt mich verstanden.«
»Ganz und gar, Hoheit«, antwortete Canter, dessen Wangen sich wieder leicht gerötet hatten.
»Ist Euch das zuzumuten?«
Canters Unterlippe schob sich ein wenig vor. »Es wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben.«
»Nicht, wenn Euch etwas an Eurer Stellung liegt«, gab Nicholas zurück. Er warf einen anerkennenden Blick auf Canters Kleidung. Die Goldstickerei glänzte im Kerzenlicht. Die Ringe an seiner Hand waren mehr wert, als Ejil, der junge Stallbursche, in seinem ganzen Leben noch ausgeben würde. »Und Ihr seht ganz so aus, als läge Euch so einiges daran.«
Das Rot auf Canters
Weitere Kostenlose Bücher