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Fey 03: Der Thron der Seherin

Fey 03: Der Thron der Seherin

Titel: Fey 03: Der Thron der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Bankreihen säumten den Gang auf beiden Seiten. Ein roter Teppich führte bis zu den Stufen und dem Podest an der Stirnseite des Raumes, einem Podest, das in einem gewöhnlichen Gebäude schon allein die Fläche eines ganzen Zimmers eingenommen hätte. Hinten auf dem Podest saß Matthias. Sein roter Talar hatte die gleiche Farbe wie der Teppich. Aus dieser Entfernung konnte Jewel sein Gesicht nicht erkennen.
    Jewel und Nicholas schritten würdevoll den Mittelgang entlang, Sebastian mit der Kinderfrau dicht hinter ihnen. Dumpfes Gemurmel folgte ihnen, als die Inselbewohner Bemerkungen über das Kind austauschten. Sebastian war ein hübsches Kind. Seine Gesichtszüge waren eine perfekte Mischung aus denen seiner Mutter und seines Vaters. Er besaß Jewels Eleganz, aber Nicholas’ kräftigen Körperbau. Den meisten Anwesenden wäre wohl nichts Unnatürliches an ihm aufgefallen, und nur diejenigen, die seinen Blick auffingen, erkannten, daß er nie zu einem klugen, lebhaften Kind heranwachsen würde.
    Jewel hatte Nicholas’ Entscheidung, Sebastian mitzunehmen, merkwürdig gefunden. Jetzt verstand sie ihn. Er wollte ihnen zeigen, daß der König eine Familie hatte. Er wollte beweisen, daß das Fortbestehen der Dynastie gesichert war. Nur sie und Nicholas brauchten zu wissen, daß Sebastian niemals ein Reich regieren würde, besonders kein Land, das jeden Augenblick vom König der Fey überfallen werden konnte.
    Das gedämpfte Murmeln war das einzige Geräusch im Saal. Jewel war darauf gefaßt gewesen, aber mehr auch nicht. Der schweigende Marsch befremdete sie mehr als irgendeine andere Inseltradition. Musik war hier nicht üblich. Als sie zu Sebastians Taufe darum gebeten hatte, hatte Nicholas sie angesehen wie eine Hexe. Musik galt als zu übermächtig für gewöhnliche Sterbliche. Sie wurde vom Tabernakel kontrolliert und ertönte einzig und allein in dessen Mauern.
    Bevor sie hierhergekommen war, hatte Jewel nie an Zeremonien ohne Musik teilgenommen.
    Burden und die anderen Bewohner der Siedlung saßen auf den Emporen ungefähr auf halber Höhe des Saals und blickten mit ernsten Gesichtern auf Jewel herab. Sie hatten für eine bessere Zukunft gearbeitet, und Jewel hatte sie nicht unterstützt, weil sie zu sehr mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt gewesen war. In Zukunft wollte sie sich verstärkt um die Siedlung kümmern.
    Während sie und Nicholas langsam vorwärts schritten, erhob sich Matthias. Er verschränkte wartend die Hände hinter dem Rücken.
    Jetzt hatten sie die Stufen fast erreicht. Jewels Vater saß auf dem Platz am Ende der vordersten Reihe, direkt am Gang, neben sich die wichtigsten Fey des Schattenlandes. Sie alle waren grün gekleidet.
    Grün.
    Wieder stieg Zorn in Jewel auf. Fast hätte sie sich umgedreht und ihren Vater angeschrien. Auch Nicholas verstand die Bedeutung dieser Farbe. Er kannte sie, weil Jewel bei ihrer Hochzeit Grün getragen hatte, um ihrer Freude Ausdruck zu verleihen.
    Sie mußte sich doch umgedreht haben, denn Nicholas drückte ihre Hand so fest, daß ein bohrender Schmerz durch ihren Arm schoß. Sofort blickte sie wieder geradeaus, jeder Zoll eine stolze Königin. Mit ihrem Vater mußte sie sich nach der Zeremonie befassen.
    Dann mußte er ihr die Wahrheit sagen. Die ganze Wahrheit.
    Nicholas geleitete sie die Stufen hinauf. Außer ihnen beiden war Matthias die einzige Person auf dem Podest. Die Kinderfrau hatte ihren Platz auf der anderen Seite des Ganges eingenommen und wiegte Sebastian in den Armen.
    Auf dem Tisch hinter Matthias standen zwei Fläschchen mit Weihwasser, zwei Kronen und ein Tuch wie das, das sie auf ihrer Hochzeit benutzt hatten. Jewel starrte auf die glitzernden Glasbehälter. Das hier war ihr Kompromiß, das Risiko, das sie um Nicholas’ willen auf sich nahm. Er hatte zugestimmt, die Zeremonie außerhalb des Tabernakels abzuhalten, und sie hatte eingewilligt, an seiner Seite zu stehen, obwohl Weihwasser in der Nähe war.
    »Gesegnet seien der König und seine Auserwählte«, sagte Matthias so laut, daß es im ganzen Saal widerhallte.
    »Sie seien Gesegnet«, antworteten die Versammelten.
    Nicholas nahm Jewel beim Ellbogen und führte sie ans Ende des roten Läufers. Gemeinsam blieben sie vor Matthias stehen. Matthias lächelte Nicholas an, aber als er sich an Jewel wandte, wurde sein Blick kalt.
    »Als der Roca Aufgenommen wurde«, erklärte Matthias, »fiel sein heiliger Umhang an seinen zweiten Sohn. Seine weltliche Macht jedoch fiel an seinen

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