Fey 03: Der Thron der Seherin
über ihr und übergoß ihren Kopf mit noch mehr Wasser. Es roch schlammig. Flußwasser. Andere Fey standen hinter ihm und reichten ihm Beutel nach Beutel. Nicholas’ Robe triefte. Sein Gesicht war naß.
»Jewel. Mein Gott, Jewel, was ist mit dir?«
Wasser spritzte auf ihr Gesicht. Nicholas hob abwehrend die Hand.
»Laß sie!« Ihr Vater schob Nicholas’ Arm beiseite.
Das Brennen versengte ihr den Schädel. Sie wollte nicht sterben. Nicht so. »Nicky«, stöhnte sie und griff nach ihm. Das konnte er nicht überleben. Nicht ohne sie.
Ihre Finger berührten seine Wange. Sie fühlte, daß sie das Bewußtsein verlor, aber sie konnte nichts dagegen tun. Als die Schwärze sie umfing, fiel ihr endlich auf, daß die Vision, vor der sie sich all die Jahre gefürchtet hatte, nun doch noch Wirklichkeit geworden war. Das Gift hatte sie berührt. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, daß andere ihr das Leben retteten.
19
Jewels Haar schmolz zu einem langen schwarzen Fluß. Die Perlen versanken in ihrer Kopfhaut. Die Haut auf ihrer Stirn hatte sich gekräuselt, aber der Prozeß hatte aufgehört, sobald ihr Vater Wasser über sie goß. Nicholas drückte sie an seine Brust. Er durfte sie nicht verlieren. Nicht jetzt.
Ihre Hand fiel von seiner Wange, und sie verdrehte die Augen.
»Wir brauchen Hilfe!« schrie Nicholas, aber er wußte nicht, welche Art von Hilfe er eigentlich meinte.
Rugar goß immer noch mehr Fey-Wasser über seine Tochter. Es spritzte Nicholas ins Gesicht. Die Tropfen schmeckten nach Schlamm und Kupfer. Hinter sich hörte er Sebastian weinen. Tiefe, herzzerreißende Schluchzer, die Nicholas irgendwie unnatürlich vorkamen.
»Sie hat das Bewußtsein verloren«, sagte er zu Rugar.
»Sie wird sterben. Gib sie mir.«
Wenn er sie jetzt Rugar überließ, würde er Jewel nie wiedersehen.
»Gib sie mir. Ohne unsere Magie wird sie sterben.«
»Die anderen habt ihr auch nicht retten können.«
»Gib sie ihm!« schrie jemand auf Fey von der Empore. »Bei den Mysterien! Laß es ihn versuchen!«
Rugar beugte sich vor und riß Jewel aus Nicholas’ Armen. Der Verlust ihrer Wärme ließ Nicholas schaudern. Rugar richtete sich auf und drehte sich um, er trug seine Tochter, als sei sie ein kleines Kind wie Sebastian.
Die Inselbewohner verkrochen sich in ihren Stühlen, aber die Fey waren aufgesprungen und rannten aus dem Saal. Eine Katze, um deren Körper sich eine grüner Überrock bauschte, trabte zwischen ihren Füßen. Sie heftete sich an Rugars Fersen, der den roten Läufer entlangeilte. Auch die Fey auf den Emporen hatten sich erhoben. Jewels Freund Burden schwang sich über die hölzerne Brüstung und sprang herab, schirmte Jewels Körper mit dem eigenen ab.
Nicholas erhob sich. Sein Gewand war triefend naß. Es klebte an seinen Beinen und behinderte ihn. Er mußte ihnen folgen. Er durfte Jewel nicht mit ihnen allein lassen. Nach allem, was sie ihm über ihren Vater erzählt hatte, war Nicholas nicht sicher, ob der Mann ihr helfen oder die Gelegenheit nutzen wollte, sie als Verräterin umzubringen.
Und das Kind.
Das Kind!
Die Kinderfrau sah völlig verdutzt aus. Sie hielt Sebastian fest, der den Hals verdrehte, um seine sterbende Mutter besser sehen zu können.
Nicholas rannte die Stufen hinunter. Die Krone fiel ihm vom Kopf und rollte scheppernd über den Marmorfußboden. Niemand folgte ihm. Die anderen Fey waren ihm voraus. Dann hörte er Schritte hinter sich.
Matthias. Das Barett war ihm vom Kopf gerutscht, und seine blonden Locken flatterten. »Verriegelt die Türen!« schrie er. »Laßt ihnen nicht die Königin!«
Die Daniten schlossen die Türflügel. Dieser elende lange Gang! Rugar konnte es niemals schaffen.
»Laßt die Türen offen!« rief Nicholas.
Die Daniten sahen Matthias an. König und Rocaan sollten sich eigentlich immer einig sein. Jetzt wußten sie nicht, wem sie gehorchen sollten.
»Ich bin der Vertreter des Roca in dieser Welt«, sagte Nicholas. »Laßt die Türen offen.«
»Schließt sie!« wiederholte Matthias. »Sie muß hierbleiben. Der Roca hat seinen Segen zurückgenommen.«
Die Türen fielen ins Schloß. Rugar kam direkt vor ihnen zum Stehen. Jewels Arme hingen schlaff herab, ihr Kopf lag weit im Nacken. Wie sie so in den Armen ihres Vaters lag, sah sie klein und zerbrechlich aus.
»Wollt ihr uns alle umbringen?« fragte Rugar. »Oder nur meine Tochter?«
»Öffnet diese Türen! Sofort!« befahl Nicholas. Endlich hatte er Rugar erreicht. Fünf Daniten hatten
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