Fey 03: Der Thron der Seherin
sich vor der Tür aufgebaut. Alle hatten ihre Weihwasserflaschen gezückt. Nicholas konnten sie nichts anhaben, aber sie würden jeden Fey töten, auch Jewel. »Sofort aufmachen!«
»Der Roca hat sie nicht Gesegnet«, widersprach Matthias.
Nicholas drehte sich zu seinem früheren Lehrer um wie zu einem Fremden. »Ich habe nicht getan, was Ihr wolltet, nicht wahr, Matthias?« fragte er. »Ich habe mich nicht von ihr getrennt. Aber sie ist meine Frau und trägt mein Kind im Leibe, und bei Gott, dem Roca und dem Heiligsten, wenn einer von beiden stirbt, werde ich Euch meinen Freunden hier, den Fey, ausliefern und ihnen erlauben, Euch Stück für Stück auseinanderzunehmen. Also befehlt Euren Männern, die Tür freizugeben.«
Matthias war einen Schritt zurückgewichen. »Das könnt Ihr nicht tun, Nicholas.«
»Ihr begeht einen Mord, heiliger Mann«, sagte Nicholas. »Aber das ist ja nicht das erste Mal, nicht wahr?« Nicholas wirbelte herum. Die Veränderungen auf Jewels Gesicht hatten sich nicht weiter ausgebreitet, aber Nicholas hatte keine Ahnung, was das Weihwasser auf ihrer Schädeldecke angerichtet hatte.
»Du da …«, begann er und zeigte auf den jüngsten Daniten. »Die Geschriebenen und Ungeschriebenen Worte besagen, daß nur Gott über Leben und Tod entscheiden darf. Mörder werden in die Schneeberge verbannt, um nach Gottes Willen zu leben oder zu sterben. Willst du mir zuwiderhandeln und meine Frau umbringen? Wenn du dich mir widersetzt, widersetzt du dich damit auch Gott.«
Der Danite blickte von Nicholas zu Matthias. Die Fey scharten sich um Jewel und Rugar, als wollten sie die beiden abschirmen.
»Es tut mir leid, Heiliger Herr«, murmelte der Danite schließlich. Er schob die Weihwasserflasche in die Tasche seiner Robe und stieß den Türflügel auf. Der Danite neben ihm tat es ihm nach. Die übrigen drei traten beiseite.
Rugar eilte hinaus, dicht gefolgt von Nicholas.
»Wohin willst du sie bringen?« keuchte er.
»Ins Schattenland. Das ist der einzige Ort, wo sie in Sicherheit ist«, erwiderte Rugar.
»Das Schattenland ist zu weit weg«, wandte Burden ein.
»Wir brauchen einen Domestiken-Heiler.«
»Ein Heiler kann ihr nicht helfen. Nicht einmal ein Hüter kann das.«
»Sie darf nicht sterben. Auf keinen Fall!«
Nicholas hatte noch nie solche Panik in Rugars Stimme gehört.
»Dann gebt sie mir.« Hinter ihnen allen ertönte eine Frauenstimme. Nicholas drehte sich um. Eine Fey-Frau, fast doppelt so groß wie er selbst, stand hinter ihm. Sie hatte weißes Haar, das wie Schilf von ihrem Kopf abstand. Ihr Gesicht war faltig, ihr Mund ein kleines, von tiefen Furchen umgebenes Oval. Nur ihre Augen waren hell – glitzernde schwarze Lichtpunkte in einem vom Tod gezeichneten Gesicht.
Die Schamanin.
20
»Wir müssen sie irgendwo in Sicherheit bringen«, sagte die Schamanin, »damit die Schwarzkittel sie nicht ein zweites Mal erwischen.«
Jewel lag schwer in Rugars Armen. Ihr Körper war völlig erschlafft und reglos. »Wenn sie mir jemand abnimmt, kann ich ein zweites Schattenland aufbauen«, antwortete Rugar.
»Das geht nicht«, erwiderte die Schamanin. »Es muß ein wirklicher Ort sein.«
»Die Siedlung«, schlug Burden vor.
»Nein«, widersprach Nicholas. »Die Küche.« Er drängte sich an Rugar vorbei und strich mit der Hand über Jewels Gesicht. Sie reagierte nicht. Aber sie veränderte sich auch nicht. Schmolz nicht.
»Wir müssen uns beeilen«, drängte die Schamanin.
Sie rannten den Korridor entlang, Nicholas allen voran. Seine lange Robe hinterließ nasse Spuren auf dem Boden. Jewels Arme hingen herab und schlugen gegen Rugars Beine. Sie fühlte sich viel zu schwer an.
Seine Tochter.
Seine tapfere Tochter.
»Burden«, keuchte die Schamanin, während sie neben ihm lief. »Vor dem Tor steht Mend mit einigen Heilern. Sage ihnen, daß ich einen Umschlag aus Rotwurz und Knoblauch benötige. Und daß ich noch einen Assistenten brauche.«
»Ich kann dir zur Hand gehen«, sagte Solanda vom Boden aus in ihrer Katzengestalt. »Die Heiler brauchen ihr Leben nicht aufs Spiel zu setzen.«
Nicholas hatte Solanda den Rücken zugewandt und konnte sie nicht sehen. Er hatte die Krone verloren, und sein Haar fiel ungebunden herab. »Die Küche ist sicher genug. Sie werden im oberen Stockwerk nach Jewel suchen. In der Küche habe ich viele Helfer.«
Rugar wunderte sich über den letzten Satz. Welcher Mann hatte schon Helfer in der Küche. »Wir müssen uns beeilen«, sagte er.
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