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Fey 03: Der Thron der Seherin

Fey 03: Der Thron der Seherin

Titel: Fey 03: Der Thron der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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aus dem hinteren Raum herbei und fand ihn auf dem Teppich vor dem Kaminfeuer, eine Hand an die Stirn gepreßt, sich wie unter großen Schmerzen krümmend und die Augen wild verdreht. Die andere Hand schwankte gefährlich über dem heruntergebrannten Feuer.
    »Gabe!« rief sie. »Gabe!«
    Sie packte ihn an den Schultern, aber es fehlte ihr an Kraft, um ihn zu Boden zu drücken. Sie hatte das schon einmal erlebt. Während der Ersten Schlacht um Jahn, als die Schwarzkittel das Gift auf ihre Freunde gegossen hatten.
    Aber der typische Geruch des Giftes fehlte. Der Raum roch nach Holzfeuer, nicht nach brennendem Fleisch. Die Handflächen des Kindes waren unversehrt.
    »Wind!« schrie sie gellend nach ihrem Gefährten. Halb verwandelt kam er in den Raum geflogen, zum größten Teil aus Flügeln und einem kleinen männlichen Körper bestehend. Erst nach der Landung wuchs er zu voller Größe.
    »Was ist geschehen?« fragte er, während er neben Gabe auf die Knie sank.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Ich hörte, wie er schrie, und rannte zu ihm. Bitte, hol die Schamanin. Wir brauchen Hilfe. Sofort.«
    Wind reagierte augenblicklich. Er schnippte mit den Fingern und war plötzlich so winzig wie ein Funken. Aber noch nie war ein Funken je so schnell und zielgerichtet geflogen. Er verschwand durch eine Ritze in der Tür, noch bevor Niche weitersprechen konnte.
    Gabe stöhnte. Niches schönem klugem Jungen lief der Speichel übers Kinn. Krampfhaft öffneten und schlossen sich seine Hände, während er mit den Fersen auf den Boden trommelte.
    »Schnell«, flüsterte Niche. »Bitte, mach schnell, wer auch immer.«
    Dieses Kind war ihre Rettung, ihr ganzer Reichtum, ihre Gnade. Die Belohnung für die treuen Dienste, die sie Rugar geleistet hatten. Er war das Kind, das sie selbst niemals hätte haben können. Weibliche Irrlichtfänger waren zu zierlich, um Kinder auszutragen. Ihre Knochen waren zu zerbrechlich für eine solche zusätzliche Last. Normalerweise akzeptierten Irrlichtfänger diese Tatsache, aber Niche hatte sich nichts sehnlicher gewünscht als ein Kind. Ein Kind, das sie gemeinsam mit einem anderen Irrlichtfänger großziehen würde. Rugar hatte ihr den Jungen gegeben. Sie hatte ihren Preis dafür bezahlt, aber sie hatte es gerne getan.
    Bis jetzt.
    Er war allein im Raum gewesen. Sie hatte das Mittagessen vorbereitet und nicht bemerkt, daß sich jemand hereingeschlichen hatte. Denn irgend etwas mußte geschehen sein. Vielleicht hatte er ein Gift berührt, oder jemand hatte ihn irgendwie verletzt. Aber das Zimmer sah aus wie immer. Keine umgeworfenen Flaschen, kein Wasser auf dem Boden. Das Feuer knisterte und prasselte nicht anders als sonst auch.
    Nur ihr Sohn war verändert.
    »Maaamaaaa!« rief er, und sein Schrei brach ihr beinahe das Herz.
    »Ich bin hier, Gabe.«
    Er schüttelte den Kopf und bäumte sich unter ihren Händen so heftig auf, daß er sich halb aufrichtete. Sie war zu schwach, um ihn niederzuhalten. »Maaamaaa!«
    Plötzlich öffnete sich die Tür. In Erwartung der Schamanin blickte sie auf. Aber dort stand nur dieser unheimliche kleine Junge, mit dem Gabe zuweilen spielte.
    Er hieß Coulter, und Solanda hatte ihn von der Insel entführt, bevor Jewel das Schattenland verlassen hatte. Solanda behauptete, er verfüge über Zauberkräfte, aber er sah aus wie ein gewöhnliches Inselkind, mit großen blauen Augen, dunkelblondem Haar und plumpen Gesichtszügen. Er war klein und gedrungen. Obwohl er mindestens fünf Jahre alt war, sah er nicht älter aus als ein dreijähriges Kind.
    »Mach Platz«, sagte er, und seine Stimme klang wie die eines Erwachsenen.
    »Was hast du mit ihm gemacht?« fragte Niche.
    »Nichts«, erwiderte Coulter. »Mach endlich Platz.«
    Gabes krampfhafte Bewegungen wurden immer heftiger. Niche versuchte, seine Schultern auf den Boden zu drücken, ihn irgendwie in eine stabile Lage zu bringen, aber sie war dazu weder schwer noch kräftig genug. »Hol die Schamanin«, befahl sie.
    »Die Schamanin ist nicht hier. Es ist niemand da außer mir.«
    »Maaamaaaa!« Gabes Gesicht färbte sich bläulichrot.
    »Mach Platz«, wiederholte Coulter. »Siehst du denn nicht, daß er stirbt?«
    »Aber du …«
    Coulter kam ungestüm näher und stieß sie mit einer heftigen Bewegung zur Seite. Sie fiel rücklings auf die Flügel, und die zarten Knochen der Flügelspitzen verbogen sich schmerzhaft. Es tat so weh, daß ihr Tränen in die Augen stiegen. Coulter stand schon über den verkrampften

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