Fey 04: Die Nebelfestung
erbärmlich, Rugar. Dich giert es nach einer Macht, die du niemals in Händen halten wirst.«
»Gib mir das Kind.«
»Du bist nicht in der Position, zu verhandeln.«
»Du auch nicht«, sagte Rugar und fegte ihr mit seinem Stiefel die Beine unter dem Körper weg. Sie krachte mit einem so heftigen Schlag auf den Boden, daß ihr ein stechender Schmerz die Wirbelsäule hinauffuhr.
Er machte einen Satz in die Mitte des Zimmers, blieb dort jedoch verwirrt stehen. Er wußte nicht, wohin Arianna verschwunden war. Jetzt erst entdeckte er den zu einer Kugel zusammengerollten Klumpen in der Ecke.
»Wo ist sie?« fragte er ihn.
Solanda kam wieder auf die Beine. Ihr ganzer Rücken tat höllisch weh. Sie konnte sich kaum bewegen. »Laß ihn in Ruhe, Rugar«, sagte sie und nahm abermals den Schürhaken in die Hand.
Wo blieb nur ihre Hilfe? Sie hatte doch das Mädchen weggeschickt, um Hilfe zu holen. Wie lange brauchten diese Leute, um eine Treppe heraufzurennen?
Der Klumpen wimmerte. Rugar ging auf ihn zu. Er packte ein Holzscheit. Wenn er den Klumpen – Sebastian – damit schlug, würde der Junge in Stücke springen und dabei vielleicht auch Arianna töten.
»Laß ihn in Frieden, Rugar.«
Rugar beugte sich zu dem Jungen.
»Sag mir, wo das Kind ist, Golem«, sagte er, ohne Solandas Worten Beachtung zu schenken.
Sebastian wimmerte wieder.
Rugar streckte die Hand nach ihm aus …
… und Solanda ließ den Schürhaken auf Rugars Hinterkopf niedersausen. Die scharfe Spitze traf krachend auf den Schädel, und Rugar kippte seitlich an die Wand, sackte dort zusammen und rührte sich nicht mehr.
Sebastian, der Arianna immer noch hinter seinen Händen versteckt hielt, kroch ein Stück von ihm weg. Arianna maunzte. Ihr kleines, blindes Gesichtchen suchte nach der Ursache für all die fremden Geräusche.
Solanda hatte den Schürhaken losgelassen. Er steckte jetzt seitlich in Rugars Kopf. Sein Hals war unnatürlich verdreht und seine Kapuze dunkel vor Blut.
Sie ging neben ihm in die Hocke. Seine Augen waren offen.
Er war tot.
Sie stieß einen leisen Schrei aus und fing an zu zittern. Die Strafe für die Ermordung eines Angehörigen der Schwarzen Familie war sehr schwer. Sie warf einen Blick auf Sebastian. Die Intelligenz, vor der sie sich fürchtete, zeigte sich nicht in seinen Augen. Er hielt Arianna dicht an sein Gesicht und streichelte sie mit dem Zeigefinger. Sie miaute immer noch und drehte den Kopf von einer Seite zur anderen.
»Solanda!«
Nicholas’ Stimme ließ sie herumfahren. Nackt und blutbespritzt stand sie zitternd in dem plötzlich empfindlich kühlen Zimmer.
Er hatte die Tür aufgerissen und war sofort ein paar Schritte hereingestürmt, dicht gefolgt von der Palastwache, dem Kindermädchen und einem Zimmermädchen. Nicholas erhob eine Hand. »Alle raus hier.«
»Aber, Sire, wir wissen doch gar nicht, was hier vorgefallen ist«, sagte einer der Wachtposten. Er meinte, sie wußten nicht, ob Solanda ihm gefährlich werden konnte oder nicht.
Doch Nicholas stand weit genug im Zimmer, um zu sehen, wessen Leiche dort zusammengesunken an der Wand lag. »Darauf lasse ich es ankommen«, sagte er und machte hinter ihnen die Tür zu. »Wo ist Arianna?«
»Sebastian hat sie«, antwortete Solanda. »Sie hat sich Verwandelt.«
Nicholas ließ sich neben Sebastian nieder und streckte seine Hand neben Sebastians Hand, die Arianna geborgen hielt. Sie maunzte ihn kläglich an.
»Ich glaube, sie steckt in dieser Gestalt fest«, sagte Solanda.
»Ist das ungewöhnlich?«
Solanda schüttelte den Kopf. »Nicht, wenn ein junger Gestaltwandler erschreckt wird.«
»Wir müssen sie Zurückverwandeln.«
»Wartet noch einen Moment«, sagte Solanda. Sie wollte sich zuerst selbst beruhigen. Sie mußte wissen, was Nicholas mit ihr zu tun gedachte, streckte ihre rußverschmierte Hand aus und zeigte auf den Toten.
»Rugar?« fragte Nicholas.
Sie nickte.
»Als Aud verkleidet. Es steht wohl nicht sehr gut um ihn, oder?«
»Er wollte Arianna ins Schattenland mitnehmen.«
Nicholas bewegte Rugars Kinn hin und her. Sein Kopf kippte kraftlos zur Seite. »Er ist tot.«
»Ich wußte es«, sagte Solanda. Die Angst zog ihr die Kehle zusammen, so daß sie die Worte kaum herausbrachte.
»Wie lautet die Strafe für die Ermordung des Sohnes des Schwarzen Königs?«
»Welche Strafe steht auf Eure Ermordung?« fragte Solanda zurück.
Nicholas seufzte. »Dann ist sein Tod wohl meine Schuld.«
Solanda brauchte einen Augenblick, um seiner
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