Fey 04: Die Nebelfestung
Junge überhaupt gehört habe. Aber er mußte ihn gehört haben. Sein Ohr lag fest an Adrians Brust.
»Ich glaube, er weiß es schon«, sagte Coulter.
Adrian runzelte die Stirn. Manchmal waren ihm die Fey so fremd wie Fische. »Warum will er es dann noch überprüfen?«
»Weil er Angst hat«, erwiderte Coulter. »Richtig Angst. Einmal hat er gesehen, was ich kann. Er und Rugar sagten, daß das, was ich kann, alles verändert.«
Adrian schloß die Augen. Natürlich sah es Rugar auf diese Weise. Er hat seine eigene Tochter nur als Mittel zur Durchsetzung seiner eigenen Absichten benutzt. Und irgendwie war es ihm gelungen, sein Enkelkind hierherzubringen. Und jetzt lenkte er seine Aufmerksamkeit auf ein Kind, das ihn zuvor nicht im mindesten gekümmert hatte. Coulter.
Er hatte natürlich recht. Es veränderte alles. Wenn die Inselbewohner die Fähigkeit besaßen, so wie Coulter zu lernen, dann waren die Fey bei weitem nicht so allmächtig, wie sie geglaubt hatten.
»Und was kannst du alles?« fragte Adrian.
Coulter verzog das Gesicht. »Das habe ich mir noch nicht überlegt«, sagte er. »Ich mache es einfach.«
Adrian nickte. Er wollte Coulter nicht drängen, aber er mußte es wissen. Es könnte für sie beide von größter Wichtigkeit sein. Für sie und für die ganze Insel.
»Was machst du denn?« erkundigte sich Adrian weiter.
Coulter zuckte die Achseln. »Es ist wie mit der Verbindung. Ich habe überhaupt nicht darüber nachgedacht. Ich habe es einfach gemacht.«
»Hat dich Gabe gerufen? Wußtest du deshalb, was zu tun war?«
Coulter schüttelte den Kopf. »Ich wußte, daß ich zu ihm mußte, warum, war mir egal. Ich bin einfach los.«
Adrian holte tief Luft. Etwas flatterte in seinem Magen … so etwas wie Aufregung, ein Stückchen Hoffnung. Doch darüber konnte er sich später noch Gedanken machen.
»Wann ist dir das zum ersten Mal passiert?«
Coulter schüttelte den Kopf. »Ich konnte solche Sachen schon immer. Das weißt du doch.«
Eigentlich hatte es Adrian nicht gewußt. Coulter war ein sehr zurückhaltendes Kind gewesen. Interessant, daß er annahm, Adrian habe gewußt, über welche Fähigkeiten er verfügte. Vielleicht war ihre Verbindung enger, als Adrian geglaubt hatte.
»Das mußt du mir erklären«, sagte er. »Rugar nannte es eine Macht. Was für eine Macht ist das denn?«
Coulter stützte sich auf den Ellbogen auf und blinzelte Adrian an. »Warum willst du das wissen?«
Adrian erwiderte seinen Blick gelassen. Er dachte daran, zu lügen und einfach zu sagen, es interessiere ihn eben. Er könnte auch nur teilweise die Wahrheit sagen, daß er sich Sorgen um Coulter mache. Oder aber er war ganz ehrlich. »Inselbewohner verfügen über keine magischen Kräfte, Coulter«, sagte er. »Wir sind nichtmagische Lebewesen.«
»Heißt das … ich bin ein Fey?« Hoffnung schwang in der Stimme des Jungen mit. Adrian zuckte kaum merklich zusammen.
»Nein.« Er mußte diesen Gedanken sofort wieder ersticken. »Das heißt, daß du uns vielleicht etwas Wichtiges über die Fey gezeigt hast, nämlich daß Magie womöglich etwas ist, das man erlernen kann. Vielleicht können alle Inselbewohner sie erlernen.«
»Dann bin ich also kein Fey?«
»Nein. Dafür bist du zu alt und zu sehr Inselbewohner. Aber du kannst so gut wie die Fey sein. Vielleicht bist du sogar noch besser als sie.«
Die Hoffnung war aus Coulters Augen gewichen, die Hoffnung, die Adrian mehr als alles andere bei ihrer Unterhaltung schockiert hatte. Wollte der Junge ein Fey sein? Eigentlich war das nicht verwunderlich, dachte er. Coulter konnte sich nicht mehr an ein Leben außerhalb der Schattenlande erinnern. Alles, was er je erfahren hatte, war, kein Fey zu sein. Er hatte keine Vorstellung von seiner Herkunft.
»Wie kann ich denn besser als sie sein?« flüsterte er.
»Rugar wußte nicht, woran er mit dir ist«, sagte Adrian. »Er zog Streifer zu Rate, einen Hüter, der es eigentlich hätte wissen müssen. Sie wollten wissen, über welche Zauberkräfte du verfügst. Mein Junge, wenn sie wüßten, wozu du fähig bist, dann hätten sie es erkannt. Sie müßten dich nicht eigens auf die Probe stellen!«
Coulter nickte. Er sah nachdenklich aus. Der erwachsene Gesichtsausdruck war in seine Züge zurückgekehrt. Adrian betrachtete den Jungen, und erst jetzt verstand er ihn. Das Gehabe der Erwachsenen, das Coulter angenommen hatte, war wie eine Tarnung, seine Methode, so zu tun, als kümmere er sich um nichts. Er war viel weiter
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