Fey 04: Die Nebelfestung
Die Taschen seines leichten Gewandes waren ausgebeult, wahrscheinlich vom Gift, und auf dem Tisch gleich neben ihm stand eine Flasche davon griffbereit. Die Flügeltür hinter ihm war geschlossen, der Raum, zu dem sie führte, dunkel.
Nachtschatten hatte den Türrahmen erreicht. Burden klammerte sich mit schmerzenden Armen am Seil fest. Er schaute nach unten. Wenige Meter unter ihm hing Owrie am Seil.
Als wollte er die Position der anderen überprüfen, trieb Wind an ihm vorüber, ein winziger Lichtpunkt in der Dunkelheit, der niedertaumelte und dann wieder heraufwirbelte. Der Funke war nicht größer als Burdens Fingernagel, aber fast groß genug, daß er den kleinen Mann im Zentrum des Lichtpunktes sehen konnte, und er sah auf unbestimmte Weise bedrohlich aus, eher wie etwas, das einen Brand entfachen denn etwas, das lebendig werden könnte.
Er flog auf den Inselbewohner zu. Burden hielt den Atem an und zog sich noch eine Hand weiter hinauf, um besser sehen zu können. Der Inseljunge nahm keine Notiz davon.
Wind wirbelte um das Gesicht des Wächters. Burdens Herz wummerte. Wenn Wind nur einen Fehler machte, war er tot.
Plötzlich wurde Wind viermal so groß und besaß jetzt in etwa die Ausmaße des Kopfes des Wächters. Er rammte seinen kleinen Körper voll gegen die Nase des Inselbewohners. Der Junge schrie auf und hielt sich die Nase.
Nachtschatten wuchs zu seiner vollen Größe und zog die Türflügel auf.
Burden kletterte auf den Balkon.
Der Junge schlug mit der Hand nach Wind, der jedoch sofort wieder auf Funkengröße schrumpfte. Die zitternde Hand des Jungen fand die Flasche und versuchte sie zu entkorken. Wind landete in seinem Haar und riß daran. Der Junge zog den Korken heraus. Das Seil unter Burden wackelte, als der nächste Fey sich auf den Weg machte.
Der Junge hatte genug Gift bei sich, um sie alle zu töten.
Jetzt schnappte der Wächter mit der anderen Hand nach Wind. Das Gift schwappte aus der Flasche, einzelne Tropfen davon klatschten auf den Steinboden. Burden packte sein Messer, Nachtschatten schob sich an ihm vorbei.
Wind hob den kleinen Kopf, erblickte Burden und legte die Hände über die Augen des Inselbewohners. Das war sehr gefährlich, denn der Junge war kurz davor, das Gift auf Wind zu schleudern. Bevor der Junge sich das Gift ins eigene Gesicht spritzen konnte, schleuderte Burden das Messer.
Es erwischte den Jungen in der Brust. Der Wächter stöhnte leise auf und kippte nach hinten. Wind erhob sich wieder hoch in die Luft, wurde ganz klein und sauste dann durch die offene Tür in den dahinterliegenden Raum.
Das Gift ergoß sich platschend über den Steinboden des Balkons. Burden zog sich am Balkongeländer hoch und setzte sich darauf, wobei er die Füße sorgsam anzog. Damit hatte er nicht gerechnet.
Als der Junge zusammenbrach, gingen noch mehr Flaschen zu Bruch.
Das Geräusch war ohrenbetäubend.
Burden gab Owrie mit einem Wink zu verstehen, daß sie anhalten sollte. Sie hing bereits auf halber Höhe am Strick, Llan folgte ein Stück weiter unten. Der Rest der Gruppe drängte sich an die Mauer, hilflos allem und jedem ausgeliefert, was auf dem Hof auftauchen würde.
Wind landete auf Burdens Schulter, was einen warmen Hauch auf seinem Arm verursachte. »Du mußt sie vor dem Gift warnen«, flüsterte er.
Der Junge war noch nicht tot. Er hob den Kopf und zog an dem Messer, versuchte sich davon zu befreien und gab dabei wimmernde Laute von sich. Burden mußte ihn zum Schweigen bringen, doch er kam nicht an ihn heran. Der Junge schwamm in Gift.
Wind ließ sich am Seil heruntertrudeln und hielt unterwegs bei Owrie und Llan an.
Burden kroch auf dem Geländer auf den Jungen zu. Es war dort lediglich zu dekorativen Zwecken angebracht worden und wankte unter seinem Gewicht. Wenn ein Inselbewohner mit voller Wucht dagegenprallte, würde es unweigerlich nachgeben.
Der Junge sah ihn nicht. Er murmelte etwas – ein Gebet? Burden kannte die Worte nicht, aber ihr Rhythmus klang ganz nach einem Ritual. Seine Hände, die sich um das Messer legten, waren trocken.
Plötzlich flog Wind wieder neben Burden. Er war klein, ungefähr so groß wie ein Finger. Er grinste Burden an, dann flog er zu dem Jungen, blieb vor ihm in der Luft stehen und schrie etwas. Der Junge erschrak, ließ das Messer los und fingerte nach einer Giftflasche. Genau in diesem Moment beugte sich Burden nach vorne, packte das Messer, drehte es kurz und riß es heraus.
Blut quoll aus dem Jungen heraus. Er würde
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