Fey 05: Der Schattenrpinz
Findet heraus, ob jemand kürzlich in den Sümpfen gewesen ist. Seht zu, daß Ihr die Auds auftreibt, die diese Gegend bereisen, oder einen Kaufmann, der Tauschhandel mit dem Süden betreibt. Eine Streitmacht, die in die Tausende geht, kann nicht lange unbemerkt bleiben.«
»Es sei denn, sie versteckt sich in einem Schattenland«, warf Stowe ein.
Nicholas schüttelte den Kopf. »Ein Schattenland ist für gewöhnlich ein Biwak für eine Armee, nicht ein Versteck, wie die Fey es hier benutzt haben. Wenn wirklich Fey über die Berge gekommen sind und Dörfer erobert haben, werden sie sich noch immer in diesen Dörfern aufhalten. Wenn das Ganze schon seit zwei Wochen vor sich geht, hätten wir längst davon hören müssen.«
»Außer niemand kann die Dörfer verlassen.«
»Ihr habt selbst gesagt, daß die Sumpfbewohner sich gut verstecken können. Wenn eine Streitmacht von zehntausend Mann im Anmarsch wäre, würden sie sofort in die Sümpfe fliehen und versuchen, den Angreifern zu entkommen. Die Nachricht wäre innerhalb weniger Tage bei uns gewesen.«
»Die Fey sind gerissen«, bemerkte Stowe skeptisch.
Nicholas erinnerte sich an Jewels gewundene, komplizierte Pläne und nickte. Das letzte, was er sie vor ihrem Tod gefragt hatte, war, ob sie ihn eines Tages hintergehen würde.
Sie hatte ihm versprochen, es nicht zu tun.
Allerdings fragte er sich jetzt seit fünfzehn Jahren, ob sie die Wahrheit gesagt hatte.
»Wir haben sie schon einmal besiegt«, sagte Nicholas schließlich. »Es wird uns wieder gelingen.«
»Glaubt Ihr, daß es damals ein echter Sieg war?« fragte Lord Stowe.
»Sie haben mit uns verhandelt, weil sie in der schwächeren Position waren«, rief ihm Nicholas in Erinnerung. »Jewel hätte niemals sich selbst und ihre ungeborenen Kinder einem Leben in Jahn geopfert, wenn sie einen Ausweg gesehen hätte. Erinnert Euch daran, daß die Fey ein kriegerisches Volk sind.«
»Das könnte ich nur schwerlich vergessen«, konterte Stowe.
»Bringt mir Beweise«, befahl Nicholas, »und beraumt ein Treffen der Lords direkt nach der Mündigkeitszeremonie an. Wir müssen die Sache so bald wie möglich aus der Welt schaffen.«
Jedenfalls hoffte er das. Diese Geschichte von einer Invasion aus dem Süden klang wirklich ziemlich unwahrscheinlich.
Allerdings konnte gerade das bedeuten, daß der Schwarze König tatsächlich eingetroffen war. Die Fey pflegten sich stets so zu verhalten, wie es niemand von ihnen erwartete, und sie besaßen mehr Fähigkeiten, als Nicholas ahnte.
Ich weiß, daß der Schwarze König lebt und daß er die Blaue Insel nicht vergessen hat, hatte die Schamanin gesagt.
Er wird kommen, hatte Jewel angekündigt.
In solcher Anzahl, daß wir die Herrschaft übernehmen werden, hatte ihr Vater gedroht.
Seit einer Generation fürchtete Nicholas sich vor diesen Prophezeiungen. Und wenn es wirklich zutraf, daß der Schwarze König mit einer zehntausend Mann starken Armee eingetroffen war, wußte Nicholas nicht, was er tun sollte.
Die Fey haben geschworen, alle Mitglieder der Familie des Schwarzen Königs zu schützen, hatte die Schamanin verkündet.
Alle.
Sebastian.
Arianna.
Und den Schwarzen König selbst.
Statt den Krieg zwischen der Blauen Insel und den Fey abzuwenden, hatten Jewel und Nicholas alles nur noch schlimmer gemacht.
Ihre Heirat und ihre Kinder verwandelten eine Invasion in einen Bürgerkrieg.
Tod und Verwüstung, hatte die Schamanin es genannt.
Wahnsinn.
Nicholas schloß die Augen.
Dies hier war erst der Anfang.
5
Titus, der Zweiundfünfzigste Rocaan, saß in der Mittagshitze auf seinem Balkon. Der Lehnsessel war eigens für ihn entworfen worden, wie geschaffen zur Entspannung und zu einem kleinen Nickerchen. Der rote Beerenpunsch stand unberührt auf dem Tischchen neben ihm, obwohl er für gewöhnlich nachmittags fast schon wie ein Ritual zwei Gläser davon zu trinken pflegte. Sein Blick wanderte über den Hof und zum anderen Ufer des Cardidas bis zum Stadtzentrum von Jahn.
Zum Palast.
Heute nachmittag feierte man den Halbfey als zukünftigen Regenten des Staates. Dieses Spatzenhirn, in dem das Blut des Roca sich mit dem Blut von Mördern mischte, diese Kreatur, die bei der kleinsten Berührung mit Weihwasser um ihr Leben fürchten mußte, würde zum Prinzen ernannt werden.
Und eines Tages würde er über die Blaue Insel herrschen.
Titus war sich nicht sicher, ob er diesen Tag erleben wollte.
Andererseits wußte er nicht, wie er ihn verhindern sollte.
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