Fey 05: Der Schattenrpinz
Sohn des Roca, hatte keine Nachkommen und mußte deshalb einen würdigen fremden Zweitgeborenen zu seinem Nachfolger ernennen. Der Brauch verlangte, daß die Rocaans nicht heirateten und auch keine Kinder zeugten. Seit Generationen wurde das Amt des Rocaan von einem zweitgeborenen Sohn zum anderen weitergegeben, treuen Gläubigen, die schon in jungen Jahren in den Tabernakel eintraten und sich ganz den Interessen der Religion, des Tabernakels und der Blauen Insel verschrieben.
Nicholas dagegen konnte sein Amt in ungebrochener Erbfolge auf den Roca selbst zurückführen. Den Roca, den Gottgefälligen, der sich von den Soldaten des Feindes hatte töten lassen, um in die Hand Gottes Aufgenommen zu werden. Den Roca, der immer noch lebte, Zugang zu Gottes Ohr hatte und Fürsprecher seines Volkes war. Nicholas hätte stolz auf sein Erbe sein müssen.
Aber dem war nicht so. Er hatte es beschmutzt. Der Fünfzigste Rocaan hatte in den Fey die Soldaten des Feindes gesehen. Aber statt sie, wie schon der Roca vor ihm, mit Hilfe der Hand Gottes in die Flucht zu schlagen, hatte König Nicholas eine von ihnen geheiratet.
In einer Zeremonie, die der Tabernakel nur zum Teil anerkannt hatte.
Und Nicholas’ Kinder waren weder gesegnet noch bekehrt worden, noch von Gottes Hand berührt. Wie konnten sie dann das Land regieren? Wie konnten sie des Roca Volk führen, wenn sie mit dem Heiligsten nie in Berührung gekommen waren? Titus hatte schon einmal versucht, mit Nicholas darüber zu reden, aber Nicholas hatte ihm nur mangelndes Verständnis vorgeworfen.
Dabei verstand Titus das alles nur zu gut. Nicholas hatte Angst um das Leben seiner Kinder, weil er sie für Fey hielt. Aber auch in ihren Adern floß das Blut des Roca. Vielleicht würde das Weihwasser sie nicht töten, sondern sogar stärken.
Natürlich nur dann, wenn sie wirklich Gottes Gesalbte waren und nicht Dämonen, wie manche glaubten.
Aber Nicholas hatte den Gebrauch von Weihwasser bei der Zeremonie strikt untersagt. Er hatte die Probe verweigert. Durch die Feier seines künftigen Thronerben in einer verfälschten Zeremonie spuckte er der Tradition geradewegs ins Gesicht.
Titus mußte abwarten. Nicholas war noch immer ein junger Mann, nur wenig älter als Titus selbst, und hatte sicher noch ein langes Leben vor sich. Titus würde seinen Feldzug bald beginnen und ihn zu Ende bringen, bevor das Mädchen volljährig wurde. Arianna war die eigentliche Gefahr. Ohne ihre Hilfe – oder die Hilfe einer machtbewußten Gemahlin – konnte der Junge nicht regieren.
Jetzt, da er einen Entschluß gefaßt hatte, erhob sich Titus bedächtig. Der Talar lastete schwer auf seinen Schultern, und die Hitze kam ihm noch unbarmherziger vor. Er nippte ein letztes Mal an dem bitteren Getränk und war dabei, das Glas zu leeren, als er plötzlich unter sich Schreie hörte.
Er beugte sich über das Balkongeländer. Ein Aud in einem ungewöhnlich schmutzigen Gewand stolperte über den Hof. Andere Auds strömten eifrig aufgeregt durcheinanderredend herbei. Der schmutzige Aud stieß mit hoher Stimme einen Warnschrei aus, der von Gefahr zu künden schien. Titus blickte hinaus auf die Straße. Außer einer Handvoll Leute, die ihren täglichen Geschäften nachgingen, war nichts zu sehen.
Die anderen Auds scheuchten den Rufer ins Haus. Als sich die Türen hinter ihm geschlossen hatten, verklangen die Schreie. Titus setzte das Glas ab, ordnete seinen Talar und durchquerte seine Gemächer mit raschen Schritten. Er riß die Tür vor der Nase der erschrockenen Aud-Wachen auf und rannte durch den Flur, die Treppe hinunter.
Die Schreie des Aud waren auf dem Korridor immer noch zu hören. Ständig stieß er laute Warnungen aus, die sich wie Gefahr und Fey und Tod anhörten. Titus’ Nackenhaare sträubten sich. Etwas war geschehen. Kein Aud hatte es nötig, sich Sorgen wegen der Fey zu machen. Im Gegenteil. Die Fey fürchteten sich vor jedem Vertreter des Rocaanismus, ganz besonders vor den Auds, die oft Weihwasser von einer Kirche zur anderen beförderten und den Gläubigen die Botschaft des Roca überbrachten.
Titus fand die Auds in der Kapelle der Bediensteten versammelt. Der schmutzstarrende Aud kniete schluchzend vor dem Altar. Das Schwert des Roca an der Wand hinter dem Altar funkelte im Kerzenlicht. Fenster gab es nicht in dieser Kapelle. Nachdem die Fey an diesem Ort entscheidend geschlagen worden waren, hatte man zehn Jahre lang keinen Gottesdienst mehr hier abgehalten.
Hier hatte Matthias
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