Fey 05: Der Schattenrpinz
ich es nicht wissen, oder? Ich habe noch nicht alles ausprobiert.«
»Aber ist dir jemals eine Gestalt mißlungen?«
»Schon oft. Aber ich übe so lange, bis es klappt.«
Sie übte so lange, bis es klappte! Solandas Wut war plötzlich verflogen. Sie stellte ihren Stuhl wieder auf die Beine und setzte sich richtig herum darauf. Der Klumpen beobachtete sie, als fürchtete er, Solanda wollte ihn schlagen.
»Ich will nur wissen, wo deine Grenzen sind«, erklärte Solanda geduldig mit ihrer liebenswürdigsten Stimme.
»Ich habe doch bereits gesagt, daß ich es nicht weiß. Ich bin noch nicht an sie gestoßen. Ich habe alle Gestalten ausprobiert, die ich gesehen habe. Außer meinem Vater und dir natürlich.«
Natürlich. Solanda wußte nicht, warum Nicholas und sie so offensichtlich nicht in Frage kamen.
»Magie stößt immer an Grenzen. Wenn du nicht an eine Gestalt gebunden bist, bist du woanders gebunden.« Solanda legte die geöffneten Hände in den Schoß. Sie vergewisserte sich, daß ihre Stimme ganz ruhig klang. Die ganze Sache beunruhigte sie, freute sie aber auch. Wenn Arianna tatsächlich die Wahrheit sprach, standen ihr ungeahnte Möglichkeiten offen. Ungeahnte Möglichkeiten und ein unwägbares Risiko.
Arianna seufzte und entzog ihre Hand dem Griff des Klumpens. Sie setzte sich aufs Bett, als wolle sie ebenfalls Gelassenheit vortäuschen. Aber ihr junger Körper war angespannt, und ihr nackter Fuß klopfte nervös gegen die Bettkante.
»Wenn ich nicht aufpasse, verliere ich an Körpergewicht«, gab sie zu. »Und wenn ich die Gestalt zu oft wechsle, kann ich mich anschließend eine ganze Woche lang überhaupt nicht Verwandeln.«
»Du könntest auch in einer Gestalt steckenbleiben«, warnte Solanda. Ein Frösteln überlief sie. Sosehr sie ihre Katzengestalt auch liebte, zog sie es vor, sich zu Verwandeln, wann immer sie wollte.
Arianna nickte. »Das ist mir schon einmal passiert. Ich war zehn. Sebastian hat mich versteckt, ehe ich mich zurückverwandeln konnte.«
Solanda warf dem Klumpen einen erstaunten Blick zu. Er schien wahrhaftig voller Geheimnisse zu stecken. Er erwiderte ihren Blick. Die feinen Linien in seinem Gesicht waren auffälliger als sonst. Starke Gemütsbewegungen ließen ihn immer aussehen wie einen gesprungenen Stein.
»Mit zehn Jahren?« fragte Solanda nach, ganz sicher, daß ihr ein solcher Vorfall im Gedächtnis haftengeblieben sein müßte.
Arianna nickte. »Ich habe mit dir gesprochen, aber gezeigt habe ich mich nicht. Aber selbst damals hast du nichts kapiert.«
Solanda konnte sich an nichts erinnern. Arianna war von Anfang an eine Meisterin darin gewesen, sie hinters Licht zu führen.
»Warum hast du mir nichts davon erzählt?« fragte Solanda.
Arianna nagte an ihrer Unterlippe. »Ich wollte allein damit zurechtkommen.«
»Und wie hast du dich wieder zurückgewandelt?«
»Ich habe es immer wieder versucht, und schließlich habe ich es geschafft.«
Was für furchtbare Angst sie gehabt haben mußte. Solanda erinnerte sich daran, wie sie im Alter von sieben Jahren einmal in ihrer Katzengestalt steckengeblieben war. Jemand hatte ihr geholfen, sich zurückzuverwandeln, aber sie hatte jenen angstvollen Morgen nie vergessen.
Sie verkniff sich die Vorwürfe. Fünf Jahre waren seitdem vergangen. Sie konnte jetzt ohnehin nichts mehr daran ändern. »Welche Grenzen hast du noch erfahren?«
»Ich muß mich immer genug ausruhen«, erwiderte Arianna. »Wenn ich das nicht tue, Verwandle ich mich, ohne es zu wollen.«
So wie sie es als Baby getan hatte. Die vielen schlaflosen Nächte, in denen Solanda und die Kinderfrau, manchmal auch Nicholas, Arianna beobachtet hatten, voller Angst, daß sie sich Verwandeln und sich damit umbringen würde, bevor es überhaupt jemand merkte.
»Warum bist du nicht zu mir gekommen?« fragte Solanda. »Ich hätte dir geholfen.«
»Mir wobei geholfen? Alle meine Fähigkeiten zu verlieren? Besser mit ihnen umzugehen? Du hast mir gezeigt, wie man seine Verwandlungen kontrolliert. Das reicht.«
»Aber als du geschlagen wurdest …«, begann Solanda, hielt dann aber inne. Das hatte sie nicht sagen wollen.
Arianna zuckte die Achseln. »Damals wollte ich niemandem davon erzählen.«
»Aber Sebastian hast du es erzählt.«
Arianna stützte sich auf die Ellenbogen. Sie sah den Klumpen an. Auch er schaute sie an wie ein junger Hund seinen menschlichen Gefährten. »Er ist anders«, erklärte Arianna. »So wie ich. Niemand sonst ist wie wir beide. Wir
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