Fey 05: Der Schattenrpinz
Insel vor den Angreifern sichern, desto besser. Ihr braucht nicht zu warten, bis ich den Raum verlassen habe. Ihr dürft euch zurückziehen.«
Fast sofort erhob sich gedämpftes Stimmengemurmel, als Dutzende von Stühlen quietschend über den Steinboden zurückgeschoben wurden. Die Lords halfen ihren Ehefrauen beim Aufstehen, während sie sich mit ihren Nachbarn unterhielten, und die Mitglieder des Rats küßten ihre Gattinnen zum Abschied, bevor sie durch eine Seitentür verschwanden. Der Rest der Gäste schob sich langsam, immer einer nach dem anderen, durch die Eingangstür hinaus, wie es die Etikette vorschrieb.
»Du hättest mir erlauben sollen, dem Fey zu folgen«, sagte Arianna leise.
Nicholas schüttelte den Kopf. »Für uns ist es im Moment nicht so wichtig zu wissen, wo sich der Schwarze König befindet. Wir müssen festlegen, wie wir weiter vorgehen sollen.«
»Wir müssen kämpfen«, entgegnete Arianna.
Nicholas wandte sich ihr zu. »Das kannst du nicht«, antwortete er ruhig. »Denk daran, was die Schamanin gesagt hat.«
»Ich habe nicht von mir gesprochen«, gab sie zurück. »Ich meinte uns alle, die Blaue Insel.«
Nicholas wußte, daß Arianna keine Schlacht gegen ihren Urgroßvater anführen konnte. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie sich überhaupt an einem solchen Kampf beteiligen durfte.
Aber jetzt war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, um darüber zu reden. »Ich muß zum Kriegszimmer. Du kümmerst dich um deinen Bruder.«
»Ich komme mit dir«, widersprach Arianna.
»Nein. Ich will, daß du in Sebastians Zimmer gehst.« Nicholas wählte seine Worte mit Bedacht. Er hatte Arianna gestattet, sich in die Gestalt ihres Bruders zu Verwandeln, und er war auch damit einverstanden gewesen, daß sie in dieser Gestalt als offizieller Nachfolger des Königs ernannt wurde, aber er würde niemals ihr Leben aufs Spiel setzen. Weder jetzt noch in Zukunft.
Ebensowenig wie das Leben Sebastians.
»Du brauchst mich im Kriegszimmer.«
»Nach allem, was heute geschehen ist, werde ich keines meiner Kinder zu lange allein lassen. Und im Moment mache ich mir große Sorgen um meinen Sohn.«
Arianna seufzte, aber seine Argumente hatten sie überzeugt. »Dann werden wir eben beide ins Kriegszimmer kommen.«
Nicholas spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Diese Maskerade brachte mehr Schwierigkeiten mit sich, als er gedacht hatte. »Du kannst doch nicht …«
»Mach dir keine Sorgen«, antwortete Arianna lächelnd. »Ich werde als deine Tochter erscheinen.«
Er fühlte sich sonderbar erleichtert. Sie verstand ihn. Sie würde sich in acht nehmen. Mehr durfte er nicht erwarten.
Er raffte seine Robe zusammen und ließ sich auf Lord Stowes Stuhl nieder. Arianna ergriff seine Hand. »Vater«, sagte sie. »Was ist mit Solanda? Sie ist nicht mehr im Palast.«
Das wußte Nicholas bereits und hatte darüber nachgedacht. Solandas und der Schamanin wegen hatte er den Versammelten geraten, die Fey auf der Insel als Einzelpersonen zu betrachten.
»Ich fürchte, sie muß auf sich selbst aufpassen«, entgegnete er. »Das tut sie schließlich schon seit Jahren. Sie wird sich zu helfen wissen.«
»Hoffentlich«, murmelte Arianna. Als sie die Stufen des Podestes hinabstieg, dachte sie rechtzeitig daran, sich langsam umzudrehen und Sebastians Gang zu imitieren. Keiner der Gäste richtete das Wort an sie. Einige wichen zurück, als sie sich näherte.
Hätte der Schwarze König doch noch ein Jahr gewartet. Hätte Nicholas doch nur etwas früher von Ariannas verblüffender Fähigkeit gewußt, sich in viele verschiedene Gestalten zu Verwandeln. Vielleicht hätte sein Volk dann noch genügend Zeit gehabt, Arianna und Sebastian als zukünftige Regenten der Insel zu akzeptieren.
Aber er wußte genau, daß diese Hoffnung trügerisch war. Sein Sohn, oder vielmehr der Junge, den er als seinen Sohn betrachtete, war achtzehn Jahre alt, Arianna fünfzehn. Die Einwohner der Blauen Insel hatten reichlich Zeit gehabt, um sich an Regenten zu gewöhnen, in deren Adern zur Hälfte Fey-Blut floß. Sie hatten es nicht getan.
Daran konnte auch er nichts ändern.
Er mußte sich aber eingestehen, daß ihn Ariannas Entscheidung, buchstäblich in die Schuhe ihres Bruders zu schlüpfen, erleichterte. Seit Sebastians Geburt – oder vielleicht war hier ›Erscheinen‹ der angemessenere Ausdruck – plagte Nicholas die Sorge, sein Sohn könne nicht fähig sein, die Blaue Insel zu regieren. Nun würde sein Sohn eine Art
Weitere Kostenlose Bücher