Fey 06: Die Erben der Macht
geführt, das er für immer hatte meiden wollen.
»Hume, bleibt bitte noch einen Augenblick«, sagte Titus.
Langsam gingen die Ältesten zur Tür. Porciluna war sogar stehengeblieben, als habe er noch mehr zu sagen, aber als Titus ihn böse anstarrte, zog auch er sich zurück.
Titus ging zur Tür und schloß sie. Er lehnte sich dagegen, und spürte, wie sich die Schnitzereien in seinen Rücken bohrten. »Jetzt sind wir doch an dem Punkt angekommen«, sagte er.
Hume hatte sich auf die Lehne eines mit Samt bezogenen Sessels gesetzt. Seine Haltung war immer noch gebeugt, als versuche er, etwas auf dem Boden zu erkennen. »Weihwasser.«
Titus nickte. »Wir haben genug, um einen Angriff durchzuführen, wenn es sein muß, aber die Fey sind so zahlreich, daß wir damit nicht weit kommen werden. Und wenn ich es dieses Mal herstelle, dann weiß ich, es ist eine Waffe, kein Mittel zur Ausübung unserer Religion.«
»Nun, da gibt es Präzedenzfälle«, entgegnete Hume. »Der Fünfzigste Rocaan hat bei der ersten Fey-Invasion genauso gehandelt.«
»Matthias hat ihn auf die Idee gebracht.«
»Das spielt keine Rolle«, sagte Hume. »Der Fünfzigste Rocaan war sein eigener Herr. Er hätte nicht so entschieden, wenn er nicht daran geglaubt hätte.«
Titus seufzte. »Ich glaube nicht daran«, sagte er. »Ich glaube nicht, daß wir richtig handeln, wenn wir Menschen töten. Der Roca hat uns das gezeigt, indem er sein Schwert senkte.«
»Er hat sein Schwert nicht sinken lassen, Heiliger Herr. Er hat es gereinigt und den Soldaten des Feindes überreicht. Das könnte man als eine Handlung deuten, die zeigen soll, daß es mitunter notwendig ist, zu töten.«
Titus lächelte. »Ihr macht es mir nicht gerade leichter.«
»Ich wußte nicht, daß das meine Aufgabe ist«, sagte Hume. Dann lehnte er sich zurück. »Ich will damit nur sagen, Heiliger Herr, daß ich Gelehrter bin. Ich kann immer etwas in den Worten finden, mit dem sich jeder Glaube verteidigen läßt.«
»Ihr seid auch gläubig«, entgegnete Titus. »Ich habe Euch nicht zum Bleiben aufgefordert, weil Ihr über ein umfangreiches Wissen verfügt. Ich wollte hören, was Euer Herz Euch sagt.«
Hume blickte auf seine Hände. Sie waren verwittert, gekrümmt, von Tintenflecken übersät und ziemlich schmutzig.
»Hume«, wiederholte Titus.
»Mein Herz sagt mir zweierlei«, erwiderte Hume schließlich langsam. »Wenn ich den Soldaten des Feindes und meinem eigenen Tod gegenüberstehe, dann würde ich mich anders verhalten als der Roca. Ich würde mich wehren, und zwar mit allem, was mir zur Verfügung steht.«
»Aber?« fragte Titus weiter.
»Aber wenn Frieden und Ruhe um mich sind, dann glaube ich, daß der Mensch nicht töten sollte.«
»Das tun wir aber doch die ganze Zeit. Wir essen …«
»Ich spreche vom Töten vernunftbegabter Wesen. Ganz gleich, was die Fey für uns auch darstellen mögen, sie sind Geschöpfe wie wir. Sie leben, denken, lieben. Ich kann es nicht gutheißen, sie zu töten.«
»Nicht einmal im Krieg?« fragte Titus.
»Krieg.« Hume rieb mit den Händen über seinen Talar. Die Tintenspritzer auf seinen Fingern verschwanden. »Ich habe noch nie an den Krieg geglaubt, Heiliger Herr.«
»Obwohl die Fey Krieg gegen uns führen?«
»Sie haben es seit einer Generation nicht mehr getan. Wir kennen ihre Absichten nicht. Falls Ihr einen Rat von mir haben wollt, Heiliger Herr, so wartet, bis Reece mit ihnen gesprochen hat. Dann könnt Ihr Eure Entscheidung treffen.«
»Und gegen sie kämpfen, wenn sie kämpfen wollen?«
Hume holte tief Luft und atmete dann geräuschvoll aus. »Ersetzt einfach das verbrauchte Weihwasser, genau wie sonst auch. Nehmt einfach an, Ihr würdet es für religiöse Zwecke herstellen.«
»Aber das tue ich ja nicht«, antwortete Titus.
Hume erhob sich. »Da beginnen die Probleme der Gelehrten. Es gibt auch heilige Kriege.«
»Was wollt Ihr damit sagen, Hume?« fragte Titus.
Hume leckte sich die Lippen. »Heiliger Herr, ich sage, daß der Roca die letzten Jahre seines Lebens damit verbrachte, Angreifer zu bekämpfen, die Soldaten des Feindes. Wir nehmen an, daß er sie geschlagen hat, weil wir ihn verehren, nicht seine Feinde. Und wir glauben, daß sein Opfer den Kampf entschieden hat.«
»Ja?« fragte Titus und wußte nicht genau, ob ihm das, was er hörte, gefiel.
»Unser großer religiöser Führer, der Mann, den wir den Gottgefälligen nennen, den wir Gott fast gleichstellen, er hat Krieg geführt. Er ist seinen
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