Fey 06: Die Erben der Macht
Zimmer, das er schon früher gesehen hatte, dem Zimmer im Palast. Überall standen Wachen. Sein Vater hielt ein Schwert umklammert, das in der Kehle seines Urgroßvaters steckte. Sein Schwester Verwandelte sich in ein Pferd.
Und Sebastian warf sich auf den Rücken seines Vaters und riß sie beide zu Boden.
Nein! schrie Gabe, aber er war nicht wirklich anwesend. Es war, als hätten sich die Schranken zwischen ihm und dem Palast plötzlich gehoben, wie ein Vorhang, der zurückgezogen wird, so daß er sehen konnte, was in diesem Augenblick im Palast geschah.
Die Wachen hatten die Schwerter gezogen. Sie schwangen sie über seinem Vater, aber sie trafen Sebastian. Sebastians ganzer Körper bekam auf einmal Sprünge. Ein zweites Schwert traf seinen Nacken und vertiefte die Risse noch. Sebastian rollte von Nicholas herunter. Licht strahlte durch die Sprünge. Gleißendes Licht. Sebastians Licht. Ihr Vater erhob sich, schrie auf, griff nach Sebastian. Auch Sebastian streckte die Hand aus. Dann traf sein suchender Blick Gabe.
»Gabe …«, stöhnte er. Lichtstrahlen griffen von seinem Arm auf den seines Vaters über und zielten in Gabes Richtung. Ein Zittern durchlief Sebastians Körper, und dann zersprang er in tausend Stücke.
Steinbrocken spritzten in alle Richtungen. Das Licht, eben noch so blendend hell, verlor an Kraft, zersprang mit dem Stein.
Nein! schrie Gabe wieder, aber vergebens. Er konnte die Lichtsplitter nicht wieder zusammenfügen.
Dann begann die Welt sich wieder zu drehen. Er lag auf dem Boden, die Hände zu Fäusten geballt, den Mund voller Erde. Er fühlte Hände auf seinem Rücken. Coulters Hände. Adrians Hände. Die Rotkappe saß etwas weiter weg auf dem Boden und sah verärgert aus. Und Leen stand über ihnen und bewachte sie.
»Gabe? Gabe?« Das war Coulters Stimme. Anscheinend hatte er sich ausreichend erholt, um jetzt seinerseits Gabe beizustehen.
Gabe setzte sich auf, wischte sich Erde von der Wange und verbarg das Gesicht auf den angezogenen Knien. Sebastian war tot. Er hatte es selbst gesehen, den Tod seines Wechselbalgs, seines Bruders, seines engsten Freundes. Und er hatte ihn nicht verhindern können. Er hatte seit Tagen davon gewußt, und er hatte nichts dagegen tun können.
Sebastian war tot, und Gabe lebte.
Irgendwie machte das alles noch schlimmer.
»Was hast du Gesehen?« erkundigte sich Adrian.
Aber es war Coulter, der sich neben Gabe auf den Boden hockte, Coulter, der ihm den Arm um die Schultern legte und ihn an sich zog. Gabe lehnte sich an ihn und atmete tief durch.
Sebastian war gestorben, weil er ihren Vater retten wollte.
Sebastian war gestorben, damit ihr Vater den Schwarzen König töten konnte.
Coulters Griff um Gabes Schulter wurde fester.
Auch wenn Gabe mit Sebastian Verbunden war – seinen Tod hatte er nicht abwenden können. Sebastian war gewarnt worden. Er hatte gewußt, was passieren würde, und er hatte seine Wahl getroffen.
Die Wahl, ihren Vater zu retten.
Die Wahl, Arianna zu retten.
Eine Wahl, die Gabe nicht hätte treffen können, sogar dann nicht, wenn er wirklich dabei gewesen wäre. Sein Erbe verbot es ihm.
Immerhin hatten sie jetzt eine Chance. Der Schwarze König war verwundet, vielleicht sogar tot. Vielleicht konnte Gabe Coulter in ein paar Tagen dazu bewegen, die Verbindungen wieder zu öffnen. Dann konnte Gabe sich mit seiner Familie verbünden und die Feinde aus dem Land vertreiben.
Sebastian hatte sich für sie geopfert. Vielleicht hatte er sie alle gerettet.
Aber das spielte eigentlich keine Rolle. Gabe kannte seine Familie kaum.
Er hatte Sebastian geliebt.
Und Sebastian war tot.
47
Einen Augenblick lang leuchtete die Welt so hell wie die Sonne. Dann, als sich das Licht ausbreitete, verblaßte und verschwamm sie.
Es regnete Steine. Die Wachen duckten sich. Einige schützten den Schwarzen König mit ihren Körpern.
Arianna schrie, aber ihre Verwandlung war jetzt endgültig abgeschlossen. Ihre Kleider lagen zerrissen auf dem Boden, sie war ein prächtiges braunes Pferd mit glänzender schwarzer Mähne. Sie scharrte auf dem leeren Fleck, wo Sebastian eben noch gestanden hatte, und wieherte verzweifelt.
Nicholas schützte nicht einmal seinen Kopf. Stücke seines Sohnes prasselten auf ihn nieder und hinterließen Schrammen, die er wahrhaftig verdiente. Der Junge war für ihn gestorben.
Und er hatte ihn gerettet, jedenfalls im Augenblick.
Nicholas konnte nicht trauern. Dafür war jetzt keine Zeit. Und er konnte nichts
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