Fey 06: Die Erben der Macht
ihren Haltern. Dort war die Decke bereits schwarz verfärbt.
»Marly.« Der Mann, der ganz rechts saß, erhob sich. Er war untersetzt, sein Gesicht vom Ruß geschwärzt und sein Haar schlammverklebt. »’s wird auch höchste Zeit, Mädchen. Wollten dich grad holen kommen.«
»Klar doch«, gab sie zurück. »Man hat ja schon Pferde kotzen sehn.«
Dann zog sie Matthias ins Licht.
»Ich konnt’ euern Prinzen hier doch nit’ einfach im Stich lassen«, sagte sie.
Der Mann, der gerade gesprochen hatte, verdrehte die Augen. »Hätz’ ich bloß vorher gewußt, was das für ’ne Nacht wird. Dann hätt’ ich dir den nie aufgehalst.«
»Tja, jetzt isses zu spät.« Ihr munterer Tonfall war nur vorgetäuscht.
»Hättst’n doch da oben gelassen, Marly.« Der Sprecher stand mit einem Halm Flußgras zwischen den Zähnen an die Wand gelehnt.
»Stimmt, Marls.« Ein dritter Mann meldete sich zu Wort. Er war lang und schlaksig, und sein blondes Haar glänzte im Licht der Laternen. »Du weißt ja wohl, was das für einer is’, oder? Der muß sofort kaltgemacht werden.«
Matthias’ Benommenheit nahm zu. Er schwankte. Marly packte ihn noch fester. »Helft mir mal, ihn auf die Decke zu legen«, sagte sie.
Zwei der Männer, die bis jetzt geschwiegen hatten, ergriffen Matthias’ Arme, schleppten ihn zu einem Stapel Decken und legten ihn dort nieder.
»Und wo soll’n wir schlafen?« fragte der erste Mann Marly.
»Hier, Jakib«, antwortete sie. »Genau wie geplant.«
»Ich brauche nichts Besonderes«, sagte Matthias. Seine Stimme zitterte.
»Los, am besten wir bringen’s gleich hinter uns und legen ihn um«, sagte der dritte Mann.
»Moment«, schaltete sich Marly wieder ein. »Er is’ verletzt und kann uns nix tun.«
»Und ob der gefährlich is’, Marls«, sagte der dritte Mann. »Du weißt gar nit, was für’n fetten Fisch du da an der Angel hast.«
»Und was isses für einer, Yasep? Außer daß er meine Hilfe brauchen tut?«
»Das is’ der Einundfuffzichste Rocaan.« Yasep verschränkte die Arme und lehnte sich gegen eine Kiste. »Der Kerl hat die meisten Fey abgemurkst. Der hat vor fuffzehn Jahren den Fey-Gefangenen über die Klinge springen lassen. Und die Dämonenkönigin hat er auch erledigt.«
Matthias blickte zu dem Mann auf. Yaseps Gesicht war kantig, die Augen kalt und eisblau. Seine Kleider waren zwar genauso mitgenommen wie die der anderen, aber insgesamt doch ein wenig gepflegter. An seinem Hemd waren immer noch Spuren des früheren Weiß zu erkennen.
Matthias hatte den Mann noch nie gesehen, aber das war unwichtig. Vielleicht hatte dieser Yasep an den Gottesdiensten teilgenommen. Oder er war einfach einer jener Menschen, die immer genau beobachten, was rund um sie vor sich geht. Daran hatte Matthias sowieso keinen Zweifel.
»Nee«, sagte Jakib. »Der Einundfuffzichste Rocaan is’ mausetot. Den hat der Zweiundfuffzichste Rocaan im Tabernakel ermordet.«
Matthias atmete tief ein. Wenn er schon heute nacht sterben mußte, dann konnte er es ebensogut gleich jetzt hinter sich bringen. »Nun«, entgegnete er, »Titus würde niemals jemanden ermorden. Ich selbst habe gezögert, ihn zu meinem Nachfolger zu ernennen.«
»Allmächtiger!« hauchte Marly ungläubig. Sie kauerte sich neben Matthias und nahm sein verletztes Gesicht behutsam in die Hände. Sie drehte es vorsichtig hin und her und berührte seine ergrauenden Locken. »Hab’ Euch vor Jahrn in all Eurem Prunk gesehn, Heiliger Herr, aber Ihr wart nie so dünn und zart.«
»Nenn mich nicht Heiliger Herr«, gab Matthias zurück. »Ich bin kein Rocaan mehr.«
»Wie kann einer eigentlich plötzlich aufhörn, der Gottgefällige zu sein? Das würd’ ich gern wissen«, sagte der zweite Mann.
»Still, Denl«, entgegnete Jakib.
Denl zuckte die Schultern. »Das ham mir die Auds beigebracht.«
»Interessiert uns nit«, sagte Yasep. »Wir müssen den umlegen.«
»Nein«, antwortete Marly. »Ich mach’ ja fast alles mit, aber mit Mord will ich nix zu tun ham, das hab’ ich euch schon vor Jahrn erzählt. Dafür geb’ ich mich nit her. Is’ ganz gegen meine Überzeugung.«
»Brauchst ja nix machen, Marls, aber hierbleiben kann der Kerl nit.« Yasep klang entschlossen. »Und von hier aus können wir den auch nit einfach abhaun lassen.«
Matthias hatte keine Kraft mehr, um sich selbst zu verteidigen. In einem Zweikampf war er schnell und einfach zu besiegen. Trotzdem klopfte sein Herz wie wild.
Marly lehnte sich gegen ihn und schirmte ihn mit
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