Fey 06: Die Erben der Macht
gellend.
Die Hütte der Hüter fiel in sich zusammen, gerade als die Hüter herausliefen. Die Veranda, auf der er jetzt stand, zersplitterte. Die Domestiken liefen in Scharen aus ihrem Haus und versuchten, den Torkreis zu erreichen.
Fast alle Gebäude stürzten ein. Nur noch wenige standen, darunter das Domizil, aber es würde auch nicht mehr lange halten. Schon jetzt lagen die ersten Fey sterbend in der Nähe des Torkreises am Boden. Fey starben, begraben unter Stücken des Himmels, der auf sie fiel. Fey starben, während sie durch den Boden stürzten, der unter ihren Füßen nachgab.
Das Schattenland durfte nicht auseinanderreißen.
Er dehnte seinen Geist so weit, bis er die Ecken seiner Welt zu packen bekam. Mit all seiner Kraft hielt er sie zusammen. Sein Vater schrie immer noch, Menschen kreischten in Panik, aber die lauten, wuchtigen Donnerstöße hatten aufgehört.
Er schloß die Augen und stellte sich das Schattenland so vor, wie es einst ausgesehen hatte. Er schloß die Löcher in den Wänden, ersetzte die ausgebrochenen Stücke im Himmel und flickte die klaffenden Risse im Boden. In Gedanken durchschritt er das ganze Schattenland und überprüfte es in allen Einzelheiten, bis es fester und widerstandsfähiger war als je zuvor.
Die Schreie waren verstummt.
Er öffnete die Augen.
Um ihn herum ein einziges Blutbad. Menschen lagen unter Stücken grauer Masse oder herabgestürzten Brettern. Sterbende streckten zuckend die Glieder von sich. Verletzte stöhnten. Aber der Boden unter ihnen zitterte nicht mehr. Die blauen Löcher im Himmel waren verschwunden, und Nebel stieg auf.
Jetzt war es sein Schattenland.
… Rugad schüttelte die Erinnerung ab. Das war vor langer Zeit geschehen. Die Hände, die er durch die Erinnerte Vision gesehen hatte, waren klein. Es waren die Hände eines Kindes.
Gegen seinen Willen spürte er, wie seine Erregung zunahm.
Als Rugar starb, hatte sein Enkel das Schattenland wiederhergestellt. Kein Wunder, daß es nach Rugar aussah, sich aber ganz anders anfühlte.
Aber das Schattenland gehörte Rugads Urenkel nicht so sehr, daß er ihn fühlen konnte. Rugad mußte die Verbindungen aufspüren, um mehr über seinen Urenkel zu erfahren.
Er löste die Hände einen Augenblick von der Wand und krümmte die Finger. Sie schmerzten bereits jetzt durch den Kontakt mit einem ungewohnten Schattenland.
Die Fußsoldaten hatten die kleine Hütte mitten im Schattenland verlassen, und die Mehrzahl der Infanteristen war weitergezogen. Unter den Zurückgebliebenen fand man fast nur noch Rotkappen. Zwei von ihnen torkelten immer noch unter dem Gewicht der Leichen, die sie schleppten. Einige zerrten Leichen aus den Trümmern, verkohlte Leichen, die für eine schnellere Bergung nicht wertvoll genug gewesen waren. Der Rest der Kappen war auf der anderen Seite des Schattenlandes völlig in ihre Arbeit vertieft.
Sie würden nicht auf ihn achten, und das war gut so. Es war zweierlei, ob man nur wußte, daß der Anführer Visionen hatte, oder ob man ihm dabei zusah.
Rugad holte tief Luft und schob erneut die Finger in die Wand. Diesmal hielt er die Augen offen, aber die Vision spielte sich in seinem Inneren ab. In den Wänden des Schattenlandes fand sich ein Dutzend Verbindungen. Die meisten stammten von jenen Personen, die sich um das Schattenland gekümmert hatten, Domestiken, die nicht mehr lebten. Diese Verbindungen existierten zwar noch, aber ihre Enden waren grau, als stürben sie langsam ab.
Dann gab es eine schwarze Verbindung, die die ganze Wand um das Schattenland wie ein Faden durchzog. Die Verbindung war nichts als eine flache und halbzerfallene, leere Hülle.
Rugars Verbindung, nicht ordnungsgemäß getrennt. Der Junge, Rugads Urenkel, war offenbar noch zu jung dafür gewesen.
Durch die Mitte der Wand lief eine blaue Verbindung. Sie leuchtete stark und pulsierend. Rugad berührte sie leicht mit dem Zeigefinger und zuckte zurück.
Die Schamanin.
Sie lebte.
Und sie hatte ihre Verbindung ins Schattenland geschützt. Rugad konnte nicht in ihre Verbindung eindringen. Er würde sie nicht finden.
Zorn flammte in ihm auf, aber er wußte, daß er diesen Schutz nicht durchdringen konnte. Sie hätte eigentlich sterben sollen, er hatte eine ganze Truppe auf sie angesetzt. Es bedurfte einer Eliteeinheit, um eine Schamanin zu töten, nicht weil es besonders schwierig, sondern weil es ein Tabu war.
Sie hatten versagt.
Aber es hatte ihnen nicht an Mut gefehlt.
Sie hatten sie bis jetzt noch
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