Fey 06: Die Erben der Macht
verblüfft aus. Gabe fragte sich, wie lange seine Abwesenheit gedauert hatte.
»Du hast meine Verbindungen durchtrennt«, sagte er zu Coulter.
»Nicht durchtrennt. Nur verschlossen.«
»Öffne sie«, befahl Gabe.
»Dann kann uns dein Urgroßvater finden. Er ist auch beim ersten Mal nicht auf direktem Weg zu dir gekommen. Er hat dich über das Schattenland erreicht.«
»Öffne meine Verbindungen.«
Coulter streckte ihm die Hand entgegen. »Nicht alle sind geschlossen. Unsere Verbindung ist geöffnet.«
»Und warum kann mein Urgroßvater diese Verbindung nicht benutzen?« fragte Gabe sarkastisch. »Oder hat er es vielleicht nur auf Verbindungen abgesehen, die dich bedrohen?«
»Du verstehst das falsch, Gabe«, sagte Coulter, aber seine Stimme klang zu glatt, zu überzeugend.
»Öffne meine Verbindung zu Sebastian.«
»Nein«, sagte Coulter.
»Öffne sie.«
»Öffne sie doch selbst«, schaltete sich Adrian vorsichtig ein, als wolle er sich nicht in diesen Streit einmischen, könne sich aber nicht länger zurückhalten.
»Ich habe es versucht. Coulter hat mich ausgeschlossen.«
»Coulter?«
Coulter zuckte die Achseln. »Sebastian ist leer. Es wäre für den Schwarzen König ganz einfach, in ihn einzudringen und dich aufzuspüren.«
»Sebastian ist nicht leer«, widersprach Gabe. »Er ist ein Teil von mir. Und ohne mich wird er sterben.«
»So wie du ohne mich stirbst?« fragte Coulter.
Die Worte hingen zwischen ihnen in der Luft. Coulter hatte Gabes Leben gerettet, als sie beide noch Jungen waren. Gabe stand in seiner Schuld. Er würde immer in Coulters Schuld stehen.
»Nein«, erwiderte Gabe leise. »Sebastian braucht mich, um zu überleben.«
»Es besteht ein Unterschied zwischen Verbindung und Bund«, sagte Coulter.
»Das weiß ich«, entgegnete Gabe. »Aber Sebastian verläßt sich auf mich. Diese Vision … ohne mich wird er sterben.«
»Bist du dir sicher?« fragte Coulter. »Weißt du das ganz genau?«
Gabe schluckte. Er wußte es nicht genau. Und er wußte auch nicht, ob jemand anders es wußte. Aber er würde keinesfalls Sebastians Leben aufs Spiel setzen, um es herauszufinden. »Öffne die Verbindung. Ich kann ihn nicht sterben lassen.«
»Er ist sowieso nicht wirklich am Leben.«
»Ich bin zu dir gekommen, damit du mir hilfst, ihn zu retten!« antwortete Gabe. »Ich bin wegen Sebastian hier.«
»Nein«, gab Coulter zurück. »Du bist hier, damit ich dich vor dem Schwarzen König schützen kann. Er hat bereits deine Adoptiveltern auf dem Gewissen. Was, glaubst du, wird er wohl mit dir machen?«
»Er kann mich nicht töten«, sagte Gabe. »Er ist um meinetwillen hier. Das weißt du. Erzähl keine Lügen, um zu rechtfertigen, was du getan hast.«
»Ich schütze dich vor ihm.«
»Öffne die Verbindung!« wiederholte Gabe.
»Nein.« Entschlossen verschränkte Coulter die Arme.
»Öffne sie«, wiederholte Gabe.
»Nein. Er wird dich durch die Verbindung finden. Weißt du das nicht? Vielleicht ist das die Bedeutung deiner Vision. Daß er dich findet und dadurch Sebastian zerstört.«
»Visionen sind keine Sinnbilder«, antwortete Gabe. »Sie sind immer Ausschnitte der Wirklichkeit.«
»Ich glaube, wir sollten hier nicht länger herumstehen und streiten«, mischte sich Adrian wieder ein. »Wenn der Schwarze König weiß, wo sich Gabe aufhält, sollte sich Gabe so schnell wie möglich in Sicherheit bringen.«
»Vielleicht wollen ja auch noch andere von hier verschwinden«, bemerkte Adrians Sohn.
Adrian und Luke blickten einander über den Kopf der Rotkappe hinweg an.
»Der Schwarze König kann uns nur dann schaden, wenn wir es zulassen«, sagte Gabe.
»Mir scheint, daß er eine Menge Unheil anrichten kann«, äußerte Leen.
»Wenn er in unsere Nähe kommt, errichte ich ein Schattenland«, entgegnete Gabe.
»Er kann auch in ein Schattenland eindringen«, erwiderte Coulter. »Er hat die Macht dazu.«
»Vorausgesetzt, er findet es«, konterte Gabe.
»Das wird ihm nicht schwerfallen«, gab Coulter zurück.
Gabe lächelte. »Die meisten Schattenländer sind viel kleiner als das meines Großvaters. Die meisten dienen kleinen Gruppen als Versteck.«
»Kannst du denn so etwas?« fragte Leen.
Gabe beantwortete ihre Frage nicht. Er sah unverwandt auf Coulter. Coulters blaue Augen waren blaß, blasser als alle anderen Augen, die Gabe je gesehen hatte. »Ich brauche dich nicht«, sagte Gabe.
»Ich habe dir soeben das Leben gerettet«, erwiderte Coulter.
»Ach, wirklich?« fragte Gabe.
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