Fey 06: Die Erben der Macht
fragte Yasep.
»Das habe ich gehört«, erwiderte Matthias. Er nahm die Rolle Tak, die Marly ihm anbot, riß ein Viertel davon ab und reichte ihr den Rest. Ihr Stirnrunzeln erwiderte er mit einem Lächeln. Er würde nicht ihren ganzen Vorrat aufessen. Das war nicht nötig. Er hatte sich schon vor langer Zeit bewiesen, daß er nur wenig brauchte, um zu überleben.
Er nahm einen Bissen. Das Tak schmeckte so schlecht wie immer. »Wenn es in Jahn überall brennt und die Fey sich über die ganze Stadt verteilt haben, wird es mit der Versorgung bald knapp werden. Du mußt entscheiden, wie wir vorgehen sollen. Gesetzt den Fall, die Fey entdecken diesen Tunnel nicht, können wir für unbegrenzte Zeit hierbleiben. Natürlich nur, wenn wir ausreichend zu essen haben.«
»Hältst dich wohl für mächtig schlau, was?« fuhr Yasep auf.
»Nein«, erwiderte Matthias. »Ich weiß nur, daß im Augenblick mein Schicksal eng mit deinem verbunden ist. Wenn du dich um diese Dinge kümmerst, werde ich überleben.«
»Ich kann mich ja erst mal ein bißchen um dich kümmern«, sagte Yasep feindselig.
»Wenn du meinst«, gab Matthias zurück. »Dann wäre ich tot, und ihr steht auch nicht besser da.«
»Du bringst uns noch alle ins Grab mit deiner ewigen Eifersucht«, mischte sich Marly ein. »Kapierst du nit, daß er recht hat? Hör ihm doch einfach zu, genau wie den andern.«
»Meiner Ansicht nach«, sagte Matthias ironisch, »hört er mir genauso gut zu wie den anderen.«
»Und Ihr, Ihr seid bloß hier wegen mir. Vergeßt das nit. Wenn ich denk’, daß Ihr uns Schwierigkeiten macht, nehm’ ich Euch nit länger in Schutz.« Sie war mit einem Schlag fuchsteufelswild. Das gefiel Matthias. Es brachte ihre Wangen zum Glühen.
»Wasser?« fragte er. Das Tak wollte nicht rutschen.
»O ja.« Schon war sie wieder ganz die alte. Etwas kleinlauter, etwas weniger wütend. Von einer Sekunde auf die andere.
Es war gut zu wissen, daß sie ihre Stimmung so schnell ändern konnte, obwohl Matthias nicht wußte, wofür er es noch einmal gebrauchen konnte.
»Von meim Platz vertreibst du mich nit«, knurrte Yasep.
»Ich habe schon gesagt, daß ich nicht die geringste Absicht habe.« Matthias nahm das Wasser, das Marly ihm reichte, und trank. Es schmeckte wunderbar kühl und erfrischend und spülte die letzten Takkrümel hinunter.
»Versuchen tust du’s aber die ganze Zeit«, widersprach Yasep.
Matthias seufzte und gab Marly den Becher zurück. »Nein, das stimmt nicht«, sagte er. »Die meisten Anführer haben Berater, die ihnen sagen, was sie ihrer Meinung nach tun sollten. Die Anführer entscheiden selbst, ob sie auf die Berater hören …«
»Dann hör’ ich nit zu.«
»… und berücksichtigen dabei, ob die Ratschläge vernünftig sind oder nicht, und weniger, ob ihnen der Berater paßt oder nicht.«
Yasep starrte Matthias einen Augenblick an und wandte sich dann abrupt ab.
»Recht hat er«, meldete sich Jakib zu Wort.
»Maul halten«, herrschte ihn Yasep an.
»Tätst gut daran, ihm zuzuhörn«, bemerkte Denl. »Der weiß doch mehr als wir.«
Yasep seufzte.
»Is’ doch gut, wenn er bei uns bleibt, mit all den Fey in der Stadt. Er weiß alles über Weihwasser.«
»Na gut«, gab Yasep nach. »Dann wirst du eben Anführer, das hast du ja gewollt.«
»Nein«, entgegnete Matthias, »das habe ich nie gewollt und werde es auch nicht akzeptieren. Ich weiß ja nicht einmal, in welche Geschäfte ihr verwickelt seid.«
»Jetzt geht’s doch nur noch ums Überleben«, antwortete Marly leise.
»Trotzdem«, wiederholte Yasep, »du bist jetzt unser Anführer.«
Matthias biß erneut ein Stück Tak von der Rolle ab und würgte fast. Er zwang sich, den Bissen zu schlucken. So ging es ihm immer. Seit er den Tabernakel verlassen hatte, war dies schon das vierte Mal, daß man ihm die Führerschaft über eine Gruppe anbot.
Die anderen machten einen erleichterten Eindruck. Er wußte, sie wollten, daß er die Verantwortung übernahm. Er zog Gefolgsleute an, und das gefiel ihm nicht. In den ersten Monaten, nachdem er dem Tabernakel den Rücken gekehrt hatte, war ihm eine Gruppe von Anhängern treulich gefolgt, ohne daß er je auch nur ein einziges Wort mit ihnen gewechselt hätte.
Dann hatte er sich zu den Blutklippen aufgemacht, und ganze Städte hatten sich ihm anschließen wollen. Schließlich hatte er Yeon getroffen, der ihn fragte, warum er sein Talent, Leute an sich zu binden, bekämpfte statt es zu nutzen.
Matthias hatte geantwortet, er
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