Fey 06: Die Erben der Macht
unternahm.
Vielleicht rechnete er sogar damit, daß Nicholas aus dem Palast heraus einen Gegenangriff plante.
Feuer loderten über der ganzen Stadt. Die Fey-Soldaten waren überall. Der Schwarze König würde nicht verhandeln. Er war im Begriff, die Blaue Insel und seine Urenkel in seine Gewalt zu bringen.
Er ist skrupellos, hatte Jewel gesagt. Und die Schamanin hatte es bestätigt. Selbst Rugar hatte es erwähnt.
Skrupellos.
Er würde also gewiß nicht damit rechnen, daß Nicholas sich skrupellos verhielt.
Nicholas schluckte. Er konnte auch skrupellos sein. Er war es lange, lange Zeit nicht gewesen, aber so etwas verlernt man nicht.
Matthias hatte es ihm vor vielen Jahren beigebracht. Als er Jewel getötet hatte.
Als er versucht hatte, alles zu zerstören, was Nicholas am Herzen lag.
Von der Tür ertönte ein dreifaches Klopfen. Sebastian fuhr zusammen. Nicholas wandte sich um.
»Trey hier, Sire.« Die Stimme hinter der Tür hörte sich an wie Treys Stimme. Nicholas hoffte, daß er es auch war.
Nicholas durchquerte den Raum. Sein Herz pochte schneller. Hier im Palast gab es keinen Schutz vor den Fey. Wenn sie einen Doppelgänger sandten, der alle Geheimzeichen kannte, hatte Nicholas keine Chance. Dann konnte er nur beten, daß sie ihn nicht angriffen, bevor der Schwarze König den Befehl dazu gegeben hatte.
Er öffnete die Tür. Seine Wachen blieben auf ihrem Posten. Vor der Tür stand Trey, mit klaren blauen Augen. Er hatte Monte neben sich. Auch in Montes Augen konnte Nicholas keine Goldflecken entdecken, obwohl sie blutunterlaufen waren. Monte wurde allmählich zu alt für brenzlige Situationen.
Aber auch er mußte diese letzte Schlacht schlagen.
Wie alle anderen.
»Danke«, sagte Nicholas zu Trey. Monte trat ein, und Nicholas schloß die Tür hinter ihm.
Monte sah sich im Zimmer um, und sein Blick glitt über Sebastian, ohne daß er ihn bemerkt hätte. Nicholas beschloß, die Aufmerksamkeit des Hauptmanns der Wache nicht auf seinen Sohn zu lenken.
»Kennt Ihr die Tunnel hinter den Verliesen?« fragte Nicholas.
Monte nahm Haltung an, um seine Aufmerksamkeit zu demonstrieren. Die Frage traf ihn offenbar unvorbereitet. »Ja, Sire. Aber ich war das letzte Mal zu Lebzeiten Eures Vaters dort unten.«
»Wo liegen die Ausgänge dieser Tunnel?«
»Sie sind über die ganze Stadt verstreut.«
»Auch in der Nähe des Palastes?«
»Nein, Sire, nicht außerhalb der Palastmauern. Innerhalb der Mauern enden die Tunnel unter den Unterkünften der Garde.«
»Und im Moment blockieren die Vögel diese Baracken, nicht wahr?« fragte Nicholas.
»Sie blockieren alles.« Monte klang resigniert. »Sie sind zu Tausenden gekommen. Und wir sind nur ein paar Hundert.«
Nicholas nickte. »Aber es sind Vögel, Monte.«
»Mit Fey-Reitern.«
»Trotzdem«, sagte Nicholas. »Jewel hat mir gesagt, daß Tierreiter den Instinkten ihrer Tiergenossen folgen müssen. Das könnte unser Vorteil sein.«
»Ich verstehe nicht, wie das gehen soll, Sire. Die Anzahl …«
»… ist überwältigend.« Nicholas durchquerte den Raum und lehnte sich aus einem Fenster. Die Vögel hatten sich nicht gerührt. Die Fey auf ihren Rücken packten die Federn wie Zügel. Sie hielten die Tiere zurück, hielten sie unter Kontrolle.
Vögel waren gewalttätig, aber auch äußerst schreckhaft.
»Gut«, sagte Nicholas. »Und jetzt werde ich Euch sagen, was Ihr zu tun habt.« Er stieß sich vom Fenster ab und wandte sich zu Monte um. »Es ist ein Glücksspiel, aber wir haben keine andere Wahl. Es heißt jetzt oder nie.«
»Glaubt Ihr denn, daß wir eine Chance haben?« fragte Monte und blickte über Nicholas’ Schulter.
»Ja«, entgegnete Nicholas bestimmt. »Davon bin ich überzeugt.«
19
Coulter tat zwei zaghafte Schritte hinter Gabe her und blieb dann stehen. Seine Schultern sackten herab, sein Mund öffnete sich. Er stand inmitten der Maisstauden, die ihn so eng umschlossen, als sei er selbst ein Teil von ihnen.
Er war Coulter aus den Schattenlanden. Der von den Fey zurückgewiesen worden und sein ganzes Leben lang ein Paria gewesen war.
Adrian kam zu ihm und legte ihm die Hand auf den Arm. Coulter zuckte zusammen. Er war wie erstarrt, war wieder jener Junge, der keine Zuneigung annahm, sie nicht annehmen konnte, weil er sie niemals erfahren hatte.
»Warum hast du die Verbindung nicht einfach geöffnet?« fragte Adrian. Er wollte Coulter helfen, dieses Problem zu lösen, damit er seinen besten und ältesten Freund wieder
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