Fey 06: Die Erben der Macht
Tierreiter erreichten, hieben sie zuerst die Köpfe der Fey ab und trennten dann die Körper mit einem Schwertstreich von den Rücken ihrer Tiere. Anschließend stießen sie ein entsetzliches Gebrüll aus, eine Imitation des Kriegsschreis der Fey, der über der ganzen Stadt widerhallte.
Die kleineren Vögel flatterten auf und flogen davon – der Vogelinstinkt hatte sich durchgesetzt. Vergebens versuchten die Fey auf ihren Rücken, die Tiere wieder nach unten zu lenken. Die kleineren Vögel schreckten die größeren auf, die jetzt auch aufflatterten und bald nur noch als schwarze Punkte am gelbgrauen Himmel auszumachen waren.
Plötzlich herrschte ein gewisses Gleichgewicht in der Schlacht. Die übriggebliebenen Vögel waren die größten von allen, Aras und Papageien, die jetzt unter Schreien und Krächzen nach den Angreifern hackten.
Im Aufsteigen streiften die verängstigten Vögel Rugads Sitz. Er hielt sich fest und versuchte dabei, nicht an den Seilen zu ziehen, während die Reiter ihm eine Entschuldigung zuriefen. Im Aufwind stiegen die Falkenreiter mit Rugad, weg von den panischen Vögeln, die sich um sie sammelten.
Der Blick nach unten war ihm versperrt. Er beugte sich vor und rief: »Kehrt um! Kehrt auf der Stelle um! Das ist ein Befehl!«
Die Fey riefen ihm eine Antwort zu, versicherten ihm schreiend, sie würden es versuchen. Aber genau das war das Problem mit Tierreitern: Manchmal war der Tierinstinkt stärker. Und die verängstigten Vögel verhielten sich jetzt wie normale Tiere und flüchteten.
Die Luft war von flatterndem Gefieder, Federn und Asche erfüllt. Von unten hörte Rugad Schreie, die sich mit Vogelgekrächze mischten. Die Falkenreiter stiegen noch höher, versuchten Rugad zu schützen, jedenfalls nahm er das an, bis er aufblickte. Dann erst bemerkte er, wie heftig die Falken voranstrebten und welche Panik in ihren schwarzen Augen zu lesen war. Die Fey auf den Rücken der Tiere brüllten und droschen auf ihre Nacken ein.
Selbst die Falken waren in Panik und außer Kontrolle. Genau wie die anderen Vögel. Rugads Tragesitz schwankte. Unversehens befand er sich in der gefährlichsten Situation seines bisherigen Lebens, und er war ihr schutzlos ausgeliefert.
Er schrie …
… und die Welt geriet aus dem Gleichgewicht. Er versank in eine Vision.
»Nein!« schrie er entsetzt, konnte aber nichts daran ändern. Er war gefangen in den Mysterien der Mächte, die ihn ergriffen und plötzlich …
… befand er sich in einem Zimmer des Inselpalastes und blickte auf seinen Urenkel. Die Haut des Jungen war heller, die Gesichtsform rundlicher, aber seine Augenbrauen waren geschwungen, und die Ohren liefen spitz zu. Trotz seiner hellen Augen ähnelte er Jewel. Er wollte gerade etwas sagen, als ein anderer Fey hereinstürmte und den Jungen in den Rücken stach. Der gab ein gurgelndes Geräusch von sich, aus seinem Mund sprudelte Blut, dann fiel er vornüber. Rugad erhob sich …
… und brachte beinahe das Boot zum Kentern. Sie waren auf offener See, sein Urenkel trieb im Wasser, sein Kopf war untergetaucht, nur Rugad konnte ihn noch retten. Rugad beugte sich vor und versuchte, seinen Urenkel mit einem Paddel zu erreichen, aber der Junge merkte es nicht. Er versank vor Rugads Augen …
… und befand sich plötzlich in der ausgebrannten Ruine ihres heiligen Gebäudes. Ein Mädchen stand wie schützend hinter seinem Rücken und klammerte sich an ihn. Er hielt sein Schwert ausgestreckt vor sich, und die Spitze der Klinge berührte Rugads Magen. Ich werde dich töten, sagte der Junge. Das kannst du nicht, erwiderte Rugad. O doch, gab der Junge lächelnd zurück. Ich schon.
Rugad wollte etwas entgegnen, aber andere Bilder begannen sich schneller und immer schneller um ihn zu drehen, zu schnell, um irgend etwas zu erkennen. Aber auf jedem Bild war der Junge zu sehen. Auf manchen sah er schnell und geschmeidig aus, auf anderen eher zerbrechlich. Auf manchen starb er, auf manchen starb Rugad, und von hinten beobachtete sie ein blonder Junge mit zusammengekniffenen Augen. An der Seite stand ein Mädchen, und ein blonder Mann hielt ein Messer fest – oder war es ein Schwert? Wie aus dem Nichts schoß plötzlich eine Klinge vor, und Rugad fühlte die Wucht des Aufpralls in seinem Nacken, die sich langsam in marternde Schmerzen verwandelte, als das Messer sich tiefer bohrte. Wie lange brauchte ein Mann, dessen Kopf man abgeschnitten hatte, um zu sterben? Er wußte es nicht.
Plötzlich war er umringt von
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