Fey 06: Die Erben der Macht
Weisung. Wie weit durfte ein Aud im Namen der Pflichterfüllung gehen? Würde er dafür Gesetze brechen müssen?
Con hoffte, daß er es nicht herausfinden mußte.
26
Monte führte seine Truppen die letzten beiden Stufen zu den Baracken hinauf. Sein Mund war trocken, und er fühlte sich uralt. Er befand sich nicht zum ersten Mal in einer schwierigen Lage, aber noch nie zuvor hatte er geglaubt, daß es der Hand Gottes bedurfte, damit er diesen Tag überlebte. Schon hundertmal hatte er den Fey Auge in Auge gegenübergestanden, aber noch nie so wie heute.
Noch nie.
Man mußte seinen Männern zugute halten, daß sie kein Wort sprachen. Sie hatten den Befehl einfach befolgt; sie vertrauten ihm und Nicholas.
Es waren etwa fünfmal so viele Vogel-Fey wie Wachsoldaten. Die Chancen standen schlecht, selbst bei einem Überraschungsangriff.
Monte duckte sich, als er den hölzernen Boden überquerte. Er bewegte sich so leise wie möglich. Auch seine Männer bemühten sich, keine Geräusche zu verursachen, aber Monte konnte doch das leise Schlurfen ihrer Stiefel hören. Hoffentlich war es in der seltsamen Stille, die draußen herrschte, nicht zu laut.
Der Junge, den Servis Audwicht genannt hatte, beunruhigte ihn ebenfalls. Und zwar in doppelter Hinsicht. Falls er ein Fey war, würde dieser ganze Überraschungsangriff scheitern. Dann wußten die Fey bereits über die Tunnel Bescheid. War er aber kein Fey, sondern wirklich ein Aud, dann bedeutete das, daß der Rocaan mit ihnen zusammenarbeiten wollte, und dafür war es jetzt zu spät.
Das konnte Monte fast körperlich spüren. Die Fey waren ihnen die ganze Zeit um zwei Schritte voraus gewesen. Genau wie bei der ersten Invasion, nur in größerem Maßstab. Niemals hätte Monte gedacht, daß es so viele Fey auf der Welt gab. Niemals.
Was gäbe er jetzt nicht alles für ein Fläschchen voll Weihwasser. Aber Nicholas hatte Weihwasser innerhalb der Palastmauern strikt verboten. Ein paar aus der Truppe hatten trotzdem welches bei sich, Monte hatte es gesehen. Er wollte gar nicht wissen, wie und warum die Wachen an die Fläschchen gekommen waren. Sie verstießen damit gegen den Befehl des Königs. Aber ein Mann konnte seine Leute nicht daran hindern, sich selbst zu schützen, wenn sie verängstigt waren.
Und seine Männer waren verängstigt. Monte spürte es an ihren nervösen Bewegungen, an den unsicheren Blicken. Als die letzten Fey-Truppen eingetroffen waren, hatte jeder von ihnen gewußt, daß der trügerische Frieden, in dem sie seit zwanzig Jahren gelebt hatten, endgültig vorbei war. Das Ende der Invasion, die vor zwanzig Jahren mit Rugars Ankunft begonnen hatte, war gekommen.
Jetzt hatte Monte die Tür der Baracke erreicht. Die entscheidenden Elemente des Planes waren die Vermeidung von Lärm und die genaue Einhaltung des Zeitplans. Er holte tief Luft, hielt sie in den Lungen und gab seinen Truppen das verabredete Zeichen.
Es wurde schnell von Mann zu Mann bis zum Tunnel und an die anderen Baracken weitergegeben, zu den anderen Befehlshabern, die dort warteten. Lautlos zählte Monte mit. Alles war bis auf die Sekunde genau berechnet, und er hoffte inständig, daß diese Berechnung auch stimmte.
»In Ordnung«, zischte er. »Zieht die Schwerter.«
Seine Männer folgten dem Befehl. Das klirrende Schaben der Klingen hallte laut in dem großen Zimmer wider. Langsam drehte Monte den Kopf zu ihnen um. Mit zusammengekniffenen Augen und Gesichtern, die vor lauter Anspannung ausdruckslos waren, hielten die Männer den Blick auf ihren Anführer gerichtet.
Er legte die Hand auf die Türklinke und drückte sie langsam nach unten.
»Jetzt!« rief er.
Er riß die Tür auf und sprang die Stufen hinab. Die Männer jagten an ihm vorbei und rannten auf die Vögel zu. Sobald sie ein Tier erreicht hatten, packten sie seinen Fey-Kopf und schlugen ihn mit einem Hieb ab. Es war eine schnelle, geschickte Bewegung, als drehte man einem Huhn den Hals um.
Mitten unter ihnen lief Monte mit gezücktem Schwert. Die winzigen Fey-Köpfe wandten sich den Wachen zu, aber die Vogelköpfe krächzten, und Flügel flatterten. Wie ein echter Schwarm erhoben sich die Vögel in die Luft und zogen sich zurück, verängstigt und überrascht.
Zuerst spielte sich der Angriff in völliger Stille ab, aber dann begannen die Männer zu brüllen. Das hatte sich Nicholas ausgedacht: Die Wache würde das Kampfgeschrei der Fey nachahmen, um die Vögel noch mehr zu verwirren.
Die Aufruhr am Ende der
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