Fey 06: Die Erben der Macht
Hand nicht aus der Tasche.
»Redet nur weiter, Audwicht.«
»Kommt mit mir. Kommt mit in den Palast, helft mir, den König zu finden. Und wenn ich den König in Gefahr bringe, dürft Ihr mich töten.«
»Ich hab’ gehofft, wir würden das hier hinter uns bringen, ohne uns gegenseitig an die Gurgel zu gehen«, sagte Servis. »Und mir is’ ganz wurscht, was Ihr in Eurer Tasche stecken habt.«
Con spürte, wie sein Gesicht heiß wurde. »Bloß Weihwasser«, antwortete er.
»Bin doch kein Fey«, sagte Servis.
»Ich wollte Euch überraschen.«
Servis grinste. »’s braucht mehr als ’n paar Tropfen Wasser, um mich zu erschrecken.«
Irgendwie glaubte ihm Con. Er seufzte. »Bitte«, flehte er. »Diese Weisung ist mein Leben, meine Zukunft, vielleicht sogar die Zukunft der Blauen Insel. Wir können sie nicht einfach hier beenden, in diesem Tunnel, mit den Fey über uns. Das darf nicht sein.«
Servis ergriff das Messer und erhob sich. Con hielt den Atem an. Dann steckte Servis das Messer in die Scheide. »Mir scheint’s«, sagte er, »als hättet Ihr recht. Is’n guter Vorschlag. Ich komm’ mit Euch mit. Stimmt schon, was Ihr sagt. Außer uns weiß ja doch keiner, was hier passiert. Und wir sind bloß kleine Fische. Für uns isses am besten, wenn wir das tun, an was wir fest glauben.«
Con atmete erleichtert aus. »Danke«, sagte er.
»Braucht mir nit zu danken«, entgegnete Servis. »Hier unten sind wir wenigstens sicher. Wenn die Fey da oben gewinnen, sind wir tote Männer, wenn die uns im Palast finden.«
»Das Risiko muß ich eben eingehen«, sagte Con.
Servis klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. »Habt wie’n echter Kämpfer geredet, Audwicht.«
»Nein«, widersprach Con, der jetzt Servis’ Bild ebenso dringend richtigstellen wollte, wie er seiner Weisung folgen mußte. »Wie ein Heiliger Mann.«
»Tja, Junge, habt Ihr schon mal dran gedacht, daß der Unterschied vielleicht gar nit so groß is’?«
»Aber der Unterschied ist groß«, gab Con zurück. Er war sich dessen jedoch nicht mehr so sicher. Die Welt um ihn herum veränderte sich zu schnell.
Er konnte nur hoffen, daß er trotzdem die richtigen Entscheidungen traf.
34
Adrian war die Hitze zuwider. Er verabscheute es, bei hohen Temperaturen zu reisen, und wünschte, er wäre an einem schattigen Plätzchen auf seinem Bauernhof und würde die abendliche Kühle erwarten, um seine tägliche Arbeit zu erledigen. Wenigstens konnte sich Luke um den Hof kümmern. Luke würde die Ernte einbringen und den Hof versorgen. Sollten sich Fey blicken lassen, hatte er die Anweisung, ihnen alles zu geben, was sie wollten. Kamen zu viele Fey, sollte er sich verstecken. Schon vor Jahren hatten sie für diesen Fall eine ganze Reihe von Schlupfwinkeln eingerichtet.
Coulter ging Adrian und Fledderer voraus. Er schob das Kinn vor und blinzelte zwischen halbgeschlossenen Lidern. Er folgte einer Spur, die Adrian nicht sehen konnte. Fledderer atmete schwer. Er schleppte zwei Dutzend Messer und zwei Schwerter, deren Gewicht ihn fast erdrückte. Er hatte darauf bestanden, mitzukommen, aber er wollte seinen Leuten kein zweites Mal ohne Waffen begegnen.
Wahrscheinlich würde er ihnen am liebsten überhaupt nicht begegnen.
Adrian hatte sein altes Schwert wieder aus der Versenkung geholt und trug einen Köcher voller Pfeile samt dem Bogen, den Luke ihm vor Jahren einmal angefertigt hatte. Viel würde er zwar nicht damit ausrichten können, aber es war besser als nichts. Außerdem hatte er noch einige Vorräte mitgenommen. Eine Reise ohne Proviant war unsinnig. Sie wußten schließlich nicht einmal, wie lange sie unterwegs sein würden.
Coulter führte sie auf der Straße nach Jahn. Diesen Weg mußte Gabe ebenfalls eingeschlagen haben, wenn er zu Sebastian wollte.
Die Vorstellung zu kämpfen, egal, um welchen Kampf es sich handelte, ängstigte Adrian. Er war ebensowenig Soldat wie Fledderer. Das letzte Mal war er in den Krieg gezogen, um sein Land zu retten. Er hoffte inständig, daß er dieses Mal überhaupt nicht kämpfen mußte.
Der einzige in dieser Gruppe, der über wirkliche Macht verfügte, war Coulter, und er wußte immer noch nicht, wie er sich dieser Macht bedienen sollte.
Es war jedenfalls ein Trost, daß Luke diesmal nicht in die Sache mit hineingezogen worden war. Keiner von ihnen hatte sich wohl in seiner Haut gefühlt, als sie Luke zurückgelassen hatten, aber es war dessen ausdrücklicher Wunsch gewesen. Er wollte nicht mehr gegen
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