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Fey 06: Die Erben der Macht

Fey 06: Die Erben der Macht

Titel: Fey 06: Die Erben der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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völlig verängstigten Eindruck machte.
    »Ich sehe immer noch nichts«, beschwerte sich Cinder.
    »Sie haben uns nicht bemerkt«, sagte Wirbler. Er zeigte hinunter. Cinder stand neben ihm in der Luft und kniff suchend die Augen zusammen. Sie sank ein wenig tiefer und verdoppelte ihren Flügelschlag, um sich an einer Stelle zu halten.
    »Oh«, rief sie überrascht. Dann blickte sie zu Wirbler auf. »Er ist verletzt.«
    »Er hat gerade eine Vision gehabt«, entgegnete Wirbler sarkastisch. Zumindest er wußte genau, daß sie den Urenkel des Schwarzen Königs vor sich hatten. Aber Cinder fehlte es dazu eindeutig an Hirnschmalz.
    Man konnte wirklich nicht auf sie zählen.
    Er seufzte. Er müßte gleichzeitig an zwei Orten sein. Hier bei dem Jungen und unterwegs, um Verstärkung zu holen. Cinder war mit jeder dieser Aufgaben überfordert.
    »Was machen wir jetzt?« fragte sie.
    Er wünschte, er wüßte es. »Laß mir einen Augenblick Zeit.«
    Wie ein Sonnenstrahl stieß Wirbler ein zweites Mal hinab. Er streifte das Haar des Jungen, flog dicht am Gesicht der Frau vorüber und stieg wieder in die Höhe. Er prägte sich die Bilder genau ein. Der junge Mann starrte vor Schmutz; seine Augen waren eingesunken, und er sah aus, als habe er geweint. An seinem Kinn rann Speichel herab, seine Haut war bleich, und er machte einen verängstigten Eindruck.
    Allerdings nicht so verängstigt wie die Frau – oder genauer gesagt, das Mädchen. Sie war Infanteristin und trug noch die alte Uniform von Rugars erster Truppe. Sie war ebenfalls schmutzig, ihre Uniform ausgebeult. Der Stoff roch nach dem Wasser des Cardidas.
    Dieses Mädchen erlebte zum ersten Mal, wie sich ein Mensch unter dem Eindruck einer Vision verhielt. Sie war von Panik erfüllt, erschrocken und wütend.
    Damit konnte sie dem Jungen nicht beistehen. Der mußte sich jetzt selbst helfen.
    Wirbler nickte kurz und flog dann wieder zu Cinder. Sie schwirrte immer noch auf derselben Stelle, den Finger wie tief in Gedanken an den kleinen Mund gelegt.
    »Du bleibst hier und behältst sie im Auge«, sagte Wirbler. »Sobald sie weitergehen, folgst du ihnen. Wenn sie von der Straße abbiegen, bleibst du ihnen so lange auf den Fersen, bis du weißt, wo sie hinwollen. Dann kommst du wieder hierher zurück und erstattest Bericht.«
    »Woher weiß ich, wo ›hier‹ ist?«
    Wirbler blickte sich um. Sie hatte recht. Das Ackerland ringsum sah überall gleich aus: nichts als sanft hügelige Felder, die die Straße wie ein Fluß durchschnitt.
    Wirbler zeigte auf einen kleinen Flecken, auf dem besonders brauner Mais wuchs. Der Bauer hatte noch nicht bemerkt, daß sich Ungeziefer über seine Ernte hergemacht hatte. »Dieses Maisfeld ist dein Anhaltspunkt«, sagte er. »Ich glaube zwar nicht, daß du einen brauchst. Nur für alle Fälle.«
    »Und wohin gehst du?«
    »Ich hole Verstärkung. Wir können ihn nicht allein gefangennehmen.«
    »Die anderen Irrlichtfänger nützen doch auch nicht viel«, erwiderte Cinder.
    Er kniff überrascht die Augen zusammen, wollte schon zu einer Antwort ansetzen und ließ es dann doch bleiben. Sie war bestimmt nicht die einzige, die diese Instruktionen mißverstanden hatte. Wirbler war jetzt doppelt erleichtert, daß er selbst den Jungen gefunden hatte.
    »Ich hole Fußsoldaten«, erwiderte er.
    »Aber hier in der Nähe sind doch gar keine.«
    Er lächelte. »Da irrst du dich«, sagte er. »Rugad hat im Süden der Insel überall Garnisonen errichtet. Ich muß einfach nur die nächstliegende finde.«
    »Woher weißt du solche Sachen bloß?« fragte Cinder.
    Wirbler konnte einfach nicht anders, er mußte sie kurz unter dem Kinn streicheln. »Ich höre einfach nur zu«, gab er zurück.
    Sie runzelte die Stirn, als sie sich bemühte, ihn zu verstehen. Aber Wirbler konnte nicht warten, bis die Erleuchtung über sie kam.
    »Wenn du ihn entkommen läßt, wird man dich als Versagerin behandeln«, drohte Wirbler. Als Cinder erschrocken die Augen aufriß, flog er davon. Er wußte nicht, ob es sie tatsächlich zur Versagerin stempelte, wenn sie den Urenkel aus den Augen verlor, aber nach all den drastischen Beispielen, wie es Versagern erging, würde sie sich jetzt bestimmt besonders anstrengen.
    Hoffentlich machte sie keine Dummheiten.
    Er blickte zurück. Sie flatterte immer noch an derselben Stelle und preßte die winzigen Hände fest zusammen. Sie war beunruhigt.
    Gut.
    Also würde sie ihre Aufgabe erfüllen.
    Und er mußte seine zu Ende führen. Er mußte so schnell

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