Fey 07: Die Augen des Roca
Arbeit. Meine Töchter wissen, wie man Ernten einbringt. Sie kennen sich auch beim Säen aus. Ich weiß schon, es ist nicht gerade üblich, aber …«
»Ich habe nichts dagegen, mit Frauen zusammenzuarbeiten«, sagte Luke. Darin war er anders als die älteren Inselbewohner. Als er die Fey zum ersten Mal gesehen hatte, war er jung genug gewesen, um einen bleibenden Eindruck von ihrer andersartigen Kultur zurückzubehalten. Frauen mußten nicht nur im Haus arbeiten. Sie waren stark und energisch und wurden auch mit schwierigen Aufgaben wie dem Einfahren der Ernte genauso gut fertig wie Männer.
»Ich kann nicht viel zahlen«, fuhr Luke fort. »Das meiste in Naturalien.«
»Sie brauchen nicht viel«, antwortete Jona. »Ich mache das nicht, um dir zu helfen. Ich will einfach nicht, daß die Fey dein Land betreten. Wenn es stimmt, was du sagst, dann müssen wir versuchen, die Fey auf Distanz zu halten. Die Mädchen können dabei nützlich sein.«
»Danke«, erwiderte Luke.
Jona erhob sich. »Du weißt, daß Reden allein bald nicht mehr reichen wird. Wir müssen etwas unternehmen.«
»Ich weiß«, entgegnete Luke.
»Hast du schon einen Plan?«
Luke lächelte. »Ich habe den Anfang eines Plans.«
Jona nickte. »Mehr als ich heute morgen«, sagte er. Er griff nach der Klinke. »Ich schicke die Mädchen rüber, sobald ich zu Hause bin.«
»Danke«, wiederholte Luke. Vorsichtig schloß er die Tür und blickte Jona nach, der über die Felder davonging. Dann atmete er tief aus.
Er hatte gelogen. Er hatte überhaupt noch keinen Plan. Nur eine Idee. Er wußte, daß er die Fey angreifen und demoralisieren mußte. Aber wie, das wußte er noch nicht so genau.
Er wußte allerdings ganz genau, welches Risiko er dafür auf sich nehmen wollte.
Sein Vater war bereit gewesen, alles aufzugeben, um zu verhindern, daß Luke ein Gefangener der Fey blieb. Jetzt war es an der Zeit, daß Luke sich bei ihm revanchierte. Es war an der Zeit, sich bei der Blauen Insel zu revanchieren.
Um die Fey zu vertreiben, war kein Opfer zu groß.
Keines. Nicht einmal das eigene Leben.
11
»Ich will ihn gar nicht finden«, sagte Arianna. Sie schlang die Arme noch enger um sich, als müßte sie sich selbst festhalten. »Du kennst Gabe nicht. Er ist böse.«
Nicholas legte die Hand auf Ariannas Rücken. Sie zitterte, nicht vor Kälte, sondern vor Aufregung. Hinter dem, was wie mutwillige Launenhaftigkeit wirkte, vermutete Nicholas etwas ganz anderes.
Furcht.
Die erste Begegnung mit ihrem Bruder hatte sie zutiefst verängstigt. Sie hätte beinahe den größten Fehler ihres jungen Lebens begangen, und bis jetzt war sie noch nicht bereit gewesen, diesen Fehler einzugestehen, ja, sie war sogar soweit gegangen, abzustreiten, daß der Kampf von Schwarzem Blut gegen Schwarzes Blut Unheil heraufbeschwor.
Sie hatte beinahe den eigenen Bruder getötet und wollte ihnen auch noch weismachen, daß sie es nicht bedauerte.
Aber das nahm Nicholas ihr nicht ab.
»Gabe ist nicht böse.« Die Schamanin hatte sich auf ihrem Sitzplatz umgedreht. Vor Kälte war sie ganz klein zusammengekauert, ihre Nase rot angelaufen. Schon den ganzen Morgen befand sie sich in einer seltsamen Stimmung, aber Nicholas wußte nicht genau, was der Grund dafür war. Hing es mit den Visionen zusammen, die sie gehabt hatte?
Jenen Visionen, über die sie nicht sprechen wollte?
»Er hat Sebastian weh getan«, erwiderte Arianna mit bebender Stimme.
»Er hat Sebastian geholfen, Kind. Er war ein Teil von Sebastian. Ohne Gabe hätte Sebastian nicht existieren können.«
»Das ist nicht wahr.« Arianna löste ihre verschlungenen Arme, fuhr sich über die Nase und schniefte.
Reglos hörte Nicholas der Unterhaltung zu. Er hatte seinen Sohn noch nie als Erwachsenen gesehen. Er konnte sich genau an das Neugeborene erinnern, an die winzigen Hände und den beweglichen Mund, der nie stillzustehen schien. Daran, wie der Junge mit einem Mal das Interesse an seiner ganzen Umgebung verloren hatte. Aus einem lebhaften, neugierigen Bündel war ein träges, schwerfälliges und müdes Kind geworden.
Jewel hatte gedacht, er sei krank.
Nicholas hatte nichts von Säuglingen verstanden. Er hatte nicht begriffen, was sich verändert hatte.
Was war er doch für ein Esel gewesen. Seine Tochter und die Schamanin hatten beide seinen Sohn gesehen, aber Nicholas hatte ihn noch nie zu Gesicht bekommen. Er wollte ihn gerne sehen, schämte sich aber, es zuzugeben. Er fürchtete, daß er durch diesen
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