Fey 07: Die Augen des Roca
entschuldigte er sich überschwenglich und versuchte, sein Tempo noch zu steigern. Schließlich hatte Con ihn gebeten, sich Zeit zu lassen. Sebastians Ungeschicklichkeit machte Cons Bemühungen wieder zunichte, und je mehr Sebastian versuchte zu helfen, desto mehr Arbeit hatte Con, bis er schließlich den Stapel praktisch allein errichtete.
Einmal, nachdem Sebastian behauptet hatte, das winzige Licht zu sehen, war Con ein Stück im Tunnel zurückgegangen. Sebastian hatte hinter ihm hergeschrien und war in Tränen ausgebrochen, aber Con war nicht umgekehrt. Er war bis zum Tunnel unter der Brücke gelaufen und hatte sich umgesehen. Im Vergleich zu der Plackerei, die Kisten aufzustapeln, wäre es ein Leichtes gewesen, Sebastian zurück in diesen Tunnel zu scheuchen und zur Höhle zurückzukehren. Aber als Con dort stand, hatte er ein deutliches Unbehagen verspürt. Es war fast mit Händen zu greifen. Er berührte die Tunnelwand, und ein Schauder überlief ihn.
Vielleicht warnte ihn die leise ruhige Stimme vor diesem Ort. Vielleicht merkte er auf einer ganz anderen Ebene jene Veränderung der Magie, von der Sebastian gesprochen hatte.
Vielleicht spürte Con aber auch nur in seinem Innersten, daß es einfach nicht mehr sicher war zurückzugehen. In der Höhle konnten sie nichts anderes tun, als abzuwarten. Irgendwann würden die Fey das Tunnelsystem entdecken und Con und Sebastian in der Höhle aufstöbern.
Diesmal würde es Con nicht gelingen, sie in die Flucht zu schlagen.
Im Laufschritt war er zu Sebastian zurückgekehrt und hatte ihn tränenüberströmt im Hauptgang angetroffen. Schmutz hatte sich in den Rissen seines Gesichts festgesetzt, und er sah aus, als hätte er sich blutig gekratzt.
Con hatte ihm versichert, daß sie nicht umkehren würden, und dann hatten sie sich wieder mit ihrer provisorischen Treppe befaßt.
Glücklicherweise bestand an Kisten kein Mangel. Die Auds hatten gut für ihr Überleben vorgesorgt. Pech, daß sie trotzdem hier unten gestorben waren.
Con kletterte von dem Stapel herunter und ging in einen der Nebenräume, um eine weitere Kiste zu holen. In allen Räumen türmten sich Kisten an den Wänden, und Sebastian und er arbeiteten sich von den nächstgelegenen Räumen zu den weiter entfernten vor.
Inzwischen stand Con im zweiten Raum. Er war schon fast leer. Con hob eine Kiste vom Boden hoch und erstarrte.
Jemand hatte gehustet.
Sebastian hustete nie.
Con schluckte. Er schleppte die Kiste in den Gang und blieb wieder stehen.
Nichts.
Alles still.
Außer Sebastians Schlurfen im Nebenraum.
Con wartete, bis Sebastian herauskam.
»Hast du irgendwas gehört?« fragte Con.
Sebastian schüttelte langsam den Kopf.
»Oder etwas gespürt?«
»Nur … die … Veränderung … von … vorhin«, stotterte Sebastian.
»Sie ist immer noch hier.«
»Wenn …es … sich … erst … einmal … verändert … hat … bleibt … es … so«, erklärte Sebastian.
»Für immer?« fragte Con.
»Nein«, erwiderte Sebastian. »Bis … jemand … es … wieder … ändert.«
Das hatte keiner von ihnen getan. Also konnten sie weder wissen, ob das Licht oder die Veränderung der Magie verschwunden, noch, ob sie zurückgekehrt waren.
Con holte tief Luft. Langsam wurde die Kiste, die er hielt, ziemlich schwer. Und er war noch nicht am Ziel. Er schleppte die Kiste zum Stapel, balancierte sie vorsichtig und trat auf die erste Stufe. Er und Sebastian hatten mehrere Ebenen aufgeschichtet. Jede Ebene stützte sich gegen die Wand und wackelte, wenn Con darauf trat. Die Treppe war gerade eben stabil genug.
Con hatte die höchste Ebene fast erreicht, als er wieder das Husten vernahm. Er stellte die Kiste ab und drehte sich um.
Sebastian stand am Fuß des Stapels und hielt wie eine Statue seine Kiste in der Schwebe. Nur, daß er zitterte.
Auch er hatte das Geräusch gehört.
Langsam setzte Sebastian die Kiste ab. Con duckte sich und spähte in den Gang hinter ihnen. Er schien dunkler als vorhin. Con hörte ein leises Rascheln wie von Kleidern.
Dann flammten plötzlich Lichter auf.
Unheimliche Lichter.
Die Art Lichter, die die Fey bei sich trugen.
Die Lichter, die kleine, glühende Seelen hinter ihrem Glas gefangenzuhalten schienen.
Es mußten um die fünfzig Lampen sein. Sie waren über den ganzen Gang verteilt. Sie flammten jäh auf, als hätte man sie alle gleichzeitig von ihren Schutzhauben befreit.
Als Cons Augen sich an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten, blickte er in ein Meer von
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