Fey 07: Die Augen des Roca
Gesichtern.
Feygesichtern.
»Neeeeiiiin«, heulte Sebastian.
Con hätte am liebsten eingestimmt. Aber er schwieg.
Er griff nach seinem Schwert und zog es aus dem Gürtel.
Er hatte keine Ahnung, wie viele Fey er mit dieser Klinge erledigen konnte, aber er würde es schon bald herausfinden.
31
Weißhaar stellte das Essen auf dem reichlich verzierten Tisch vor dem bestickten Sofa ab. Der Duft des frischen Brotes stieg Rugad verführerisch in die Nase. Sein Magen knurrte, aber er blieb mit hinter dem Rücken gefalteten Händen am Fenster stehen und beobachtete Weißhaar in der spiegelnden, leicht gewellten Scheibe.
Weißhaar wirkte besorgt. Die Zöpfe fielen ihm auf den Rücken und streiften seine tätowierten Arme. Er strich sich das Haar zurück, damit es nicht ins Essen hing. Während er wartete, blickte er kurz zu Rugad hinüber, aber sein Gesicht war ausdruckslos. Rugad hatte fast erwartet, daß Weißhaar ihm heimlich eine Grimasse schneiden würde.
»Verzeihung, Herr, aber ich finde, du solltest etwas essen.«
Rugad rührte sich nicht. Über der Stadt ging die Sonne unter und sandte Wogen von rotem Licht durch die immer noch rauchgeschwängerte Luft. Rugad war lieber auf dem flachen Land, wo die Sonne später unterging als in der Nähe der Berge. Dieser Sonnenuntergang war ein prächtiges Schauspiel, und Rugad wäre gern draußen oder in einem Schattenland gewesen, überall, nur nicht hier.
»Herr?« wiederholte Weißhaar.
Er wollte Rugad zwingen zu antworten. Jetzt, wo ihm das Sprechen so weh tat, hatte Rugad keine Lust, unnötige Worte zu verschwenden. Er wollte sich seine Kraft für Wichtigeres aufsparen.
Er drehte sich um, warf Weißhaar einen flüchtigen Blick zu und wandte sich wieder zum Fenster. Das Licht mischte sich mit Wolkenschleiern, so daß es aussah wie roter Rauch. Vor diesem Hintergrund starrte Weißhaars Spiegelbild Rugad an.
Noch immer war Weißhaars Gesichtsausdruck gewollt ausdruckslos, als unterdrückte er eine heftige Gemütsbewegung.
Schließlich nickte Weißhaar kurz, obwohl er zu glauben schien, daß Rugad ihn nicht sehen konnte, und verließ das Zimmer. Rugad wartete auf das Einschnappen der Tür, bevor er seinen Posten am Fenster verließ.
Das Gefäß mit seiner Stimme schlug ihm beim Gehen gegen die Hüfte. Manchmal vermißte Rugad die Kraft und Tragfähigkeit dieser Stimme, die Selbstverständlichkeit, mit der er sich ihrer so lange bedient hatte. Jetzt war nichts mehr selbstverständlich, wenn er sprechen wollte.
Die Mahlzeit, die für ihn in der Palastküche zubereitet worden war, bestand aus den Vorräten der königlichen Speisekammer. Nicholas war es anscheinend gewohnt gewesen, gut zu speisen, obwohl die Landbevölkerung im Norden der Insel darbte. Für Nicholas als Kriegsherrn hatte Rugad Respekt, aber als Herrscher duldete er Rugads Meinung nach zuviel Armut. Nicholas schien das erste Gebot für jeden Anführer nicht zu kennen: Eine unzufriedene Bevölkerung zettelt gerne Aufstände an.
Die Fey wußten das nur zu gut.
Falls es Rugad nicht gelang, Nicholas zu töten und sich selbst – oder seine Urenkel – als Herrscher der Blauen Insel einzusetzen, konnte er immerhin das Nächstbeste tun. Er konnte die Bewohner dieser armseligen Nester davon überzeugen, daß ihnen nichts Besseres passieren konnte als der Sturz ihres Königs Nicholas.
Im Süden und anderen Gegenden des Landes, die leichter zu erobern gewesen waren, war Rugad das bereits gelungen. Aber es gab immer noch aufständische Regionen, und auch diese mußte er sich gefügig machen.
Es gab unterschiedliche Mittel und Wege, sich ein Volk zu unterwerfen. Das einfachste und leichteste war Gewalt. Aber Gewalt war niemals das beste Mittel. Rugad wollte nicht, daß seine Untergebenen unglücklich waren.
Er wollte kein seinen Untertanen verhaßter Herrscher sein.
Selbst Nye, um das er eine lange Schlacht geschlagen hatte, hatte sich schließlich Rugads Willen gebeugt. Und nun, Jahrzehnte später, hatten ihn die Bürger dieses schönen Landes nur ungern ziehen lassen. Auch Rugad selbst hatte sich Sorgen gemacht: Sein Enkel Bridge war der nächste in der Rangfolge, aber Rugad hatte ihn nicht offiziell zu seinem Stellvertreter ernannt. Bridge war ein lausiger Visionär und ein noch schlechterer Diplomat. Rugad war zu dem Schluß gekommen, daß es besser war, Jewels Brüder den Kampf um den Thron unter sich austragen zu lassen. Wenn sie versagten und ein anderer ihren Platz einnahm, war das kein
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