Fia die Betoerende
Frankreich gereist zu sein, um Handelsgüter einzukaufen.
Natürlich würde Carr bei seiner Rückkehr begreifen, dass Thomas gar keine Fracht mitgebracht hatte und auch nicht im Mindesten daran dachte, sein Schiff in Brand zu stecken. Dann würde Carr zweifellos die Behörden davon unterrichten, dass er ein verurteilter Hochverräter war und sich gesetzeswidrig in England aufhielt, und er würde fliehen müssen - und den Traum aufgeben, den zu verwirklichen er so hart gearbeitet hatte, den Traum, Maiden's Blush wieder aus der Asche auferstehen zu lassen, zu der Carr die alte Festung hatte niederbrennen lassen.
Er bereute seinen Entschluss nicht. Denn er schuldete James Barton mehr als ein paar zerstörte Träume. Außerdem, selbst wenn er nun auch nicht mehr selbst den Wiederaufbau beaufsichtigen konnte, so konnte er dennoch Mittel und Wege finden, ab und zu auf die Insel vor der Küste zurückzukehren. Und wenn er niemals die Freude empfinden durfte, endlich heimgekommen zu sein, so hatte er trotzdem das befriedigende Wissen, dass sein Clan wieder auf McClairen's Isle lebte.
Nein, seinen Entschluss bereute er wirklich nicht. Doch das machte dies hier, den Kurs beizubehalten, den er eingeschlagen hatte, nicht einfacher. Nie in seinem Leben hatte er einer Frau etwas angetan. Trotzdem würde er in wenigen Minuten eine Frau aus ihrem eigenen Haus entführen und sie gegen ihren Willen festhalten.
Er holte tief Luft, legte seine Hände auf das Fensterbrett über sich und stemmte sich in die Höhe. Geräuschlos landete er auf dem Teppich in der Bibliothek und richtete sich auf.
„Also wirklich! Die meisten von Fias Freunden benutzen die Eingangstür.“
Er erstarrte. Der Akzent war zweifelsfrei schottisch, die Stimme klang jung und männlich. Langsam drehte er sich um.
Ein junger Mann, sogar noch jünger als Pip, saß in einem Lehnstuhl. Auf seinem Schoß lag ein aufgeschlagenes Buch. Er musterte Thomas aus dunklen, nachdenklichen Augen unter einem leicht zerzausten, fransigen Pony aus braunen Haaren.
Wer zum Teufel war das?
Thomas zwang sich zu einem Lächeln. „Ich muss gestehen, ich hatte nicht erwartet, irgendjemanden hier anzutreffen. Wer sind Sie?“
Der Junge schloss das Buch, ließ aber einen Finger als Lesezeichen zwischen den Seiten. „Ich denke, das wäre eigentlich meine Frage, Sir.“
Na so etwas! Dieser Junge war nicht leicht zu überrumpeln. Seine Selbstbeherrschung, die trockene Ironie in seinem Tonfall, das alles erinnerte Thomas an jemanden. Da gab es kein unruhiges Gezappel, nur einen bemerkenswert ruhigen, direkten Jungen. Er erinnerte ihn an Fia. Unmöglich konnten die beiden verwandt sein. Außer einer gewissen Ähnlichkeit im Ausdruck hatten sie nichts weiter gemein.
„Sie sind nicht am Ende MacFarlanes Sohn, oder?“ fragte Thomas.
Die misstrauische Wachsamkeit des Jungen ließ ein wenig nach. „Sie sind mir gegenüber im Vorteil, Sir“, sagte er.
Thomas ließ sein Lächeln breiter werden, während er angestrengt nachdachte. Er musste mit irgendeiner vernünftigen Erklärung dafür aufwarten, warum er durch das Fenster in die Bibliothek eingestiegen war, und das möglichst rasch. Auch wenn ein Junge, der von Fia erzogen worden war, die unangemeldete Ankunft fremder Männer gewohnt sein musste. „Ich bin ein Freund Ihrer Stiefmama.“
„Ich sage zu ihr nicht ,Mama‘. Ich nenne sie Fia. Sie ist nur wenige Jahre älter als ich, wissen Sie“, sagte der Junge, und ein rechtfertigender Ton schlich sich in seine Stimme.
Möge Gott ihm eine weitere von Fias Eroberungen ersparen!
„Es wäre absurd von mir, sie Mutter zu nennen“, fuhr der Junge fort, bevor er nachdenklich hinzufügte, „obwohl Cora sie manchmal schon ,Mama‘ nennt, aber nur um sie aufzuziehen.“
„Sie aufzuziehen?“ Die Vorstellung, jemand könnte Fia aufziehen, war so unerhört abwegig, dass Thomas sich einen Augenblick lang vergaß. „Wer ist Cora, dass sie es wagt, Fia aufzuziehen?“
„Meine kleine Schwester. Grässliche kleine Schwester. Sie foppt Fia pausenlos. Nicht dass ich es ihr verübeln könnte. Fia ist so leicht hereinzulegen, nicht wahr?“
Thomas sah sich verwundert um, so als ob er halb erwartete, diese Cora plötzlich in einem anderen Sessel zu entdecken. Fia leicht hereinzulegen? Ein Opfer kindischer Späße?
„Oh, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.“ Der Junge hatte seine Gedanken erraten. „Cora ist fort, an ihrer Schule. In Devon. Einem recht abgelegenen Teil Devons“,
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