Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
Meldungen, aus denen hervorging, daß die Quinta den Schutt des zertrümmerten Mondes selber auf sich gelenkt hatte: Durch die Salve ballistischer Raketen war die Kavitation so gestört worden, daß deren exzentrischer Verlauf auf den Planeten zurückgeschlagen haue.
       Die Folgen, optisch erkennbar, obgleich das Raumschiff die Entfernung zur Quinta bereits verdreifacht hatte, waren erschreckend. Vom ozeanischen Epizentrum gingen Springfluten aus, Wassermassen, emporgepeitscht in die hundertfache Höhe dessen, was der Gezeitenpegel selbst bei höchster Flut anzeigte. Sie brachen über Hepariens Ostküste, die am nächsten lag, herein und überschwemmten in einer tausend Meilen breiten Front das riesige Flachland. Der Ozean drang weit ins Innere des Kontinents vor und hinterließ im Abfließen Binnenseen von Meeresgröße, denn die tiefe Platte des lithosphärischen Mantels der Quinta war eingebeult worden, und die Wasser sammelten sich m den an der Oberfläche entstandenen Depressionen.
       Gleichzeitig hüllten Billionen Tonnen Wasser, als brodelnder Dampf über die Stratosphäre gestoßen, die gesamte Scheibe des Planeten in eine geschlossene Wolkendecke, über der nur der dünne Eisring in der Sonne blitzte wie eine Klinge.
       Steergard verlangte von Nakamura die spinoskopischen Berichte, die seit dem Lunoklasmus ununterbrochen angefertigt wurden. Er hatte nämlich unmittelbar danach die größten Magnetronaggregate auf eine Bahn vor und hinter der Quinta schießen lassen, gewaltige sideralgespeiste Apparate mit einer Masse von siebentausend Tonnen. Zum Schutz vor einem möglichen Angriff wurden sie von Werfern kohärenter Gravitation eskortiert, GRACER-Bomben für einmaligen Gebrauch, die nach den Plänen des SETI-Stabs zur Annihilation von Asteroiden dienen sollten, falls der HERMES auf dem Flug zur Quinta solchen begegnete — bei lichtnaher Geschwindigkeit konnte er Hindernissen, denen der Schutzschild nicht standhielt, nicht ausweichen. Bevor Nakamura die Ergebnisse der Spinoskopie vorlegte, fragte Steergard unvermittelt den Zweiten Piloten, wie er zu dem lateinischen Spruch gekommen sei, mit dem er die letzte Beratung geschlossen habe: „Nemo me impune lacessit.“ Tempe konnte sich nicht erinnern.
       „Ich glaube nicht, daß du je Philologe gewesen bist. Eher hast du Poe gelesen, das „Faß Amontillado“.“ Der Pilot schüttelte zu diesem Wort Steergards ratlos den Kopf. „Möglich. Poe? Der Schriftsteller, der diese phantastischen Geschichten geschrieben hat? Das bezweifle ich eher. Übrigens erinnere ich mich nicht, was ich gelesen habe — vor meiner Zeit auf dem Titan. Ist das wichtig?“
       „Das wird sich zeigen. Nun aber bitte die Ergebnisse.“ Nakamura kam abermals nicht dazu, den Mund aufzumachen, weil der Kommandant fragte: „Ist die Apparatur angegriffen worden?“
       „Zweimal. Die GRACER haben ein paar Dutzend Raketen vernichtet. Die Holenbachschen Beugungen haben den Empfang der Spinogramme unterbrochen, ohne daß das Bild beeinträchtigt wurde.“
       „Wo sind diese Raketen gestartet?“
       „Auf dem betroffenen Kontinent, aber außerhalb des Katastrophengebiets.“
       „Und genauer?“
       „An vier Stellen, in einem Gebirgssystem fünfzehn Grad unterm Polarkreis. Die Abschußrampen liegen unter der Erde und sind durch eine Felsimitation verfestigt. Es gibt noch mehr davon — in den Meridiangürteln bis hm zum Wendekreis. Die Aufnahmen haben über tausend entdeckt. Es gibt sicherlich noch mehr, aber offenbar ließen sich nur die erkennen, die senkrecht zum Impulsfeld standen. Der Planet dreht sich, das Feld aber bleibt unbeweglich. Bei ständiger Spinoskopie wäre ein Bild ohne jeden Wert entstanden — wie das Röntgenbild eines Menschen, der sich während der Aufnahmen um sich selber dreht. Deshalb sind wir zu tomographischen Momentaufnahmen im Abstand von Mikrosekunden übergegangen.
       Bisher sind um die fünfzehn Millionen Bilder zusammengekommen. Ich wollte abwarten, bis die Quinta eine volle Umdrehung gemacht hat, und erst dann alle Bänder GOD übergeben…“
       „Ich verstehe“, meinte Steergard und führte den Gedanken zu Ende: „GOD hat die Aufnahmen noch nicht bekommen und noch nicht ausgewertet.“
       „Im Ganzen noch nicht. Ich habe aber summarisch die stündlichen Agglomerate der Tomogramme durchgesehen.“
       „Also immerhin etwas! Ich höre.“
       „Astrogator, ich wünschte, Sie würden sich die

Weitere Kostenlose Bücher