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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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sich im Periselenium hinter dem Mond verborgen hielt. Außerdem wurde die Quinta von Tausenden Satelliten umkreist, teils in der Richtung, in der der Planet sich um seine Achse drehte, teils entgegengesetzt, und diese Richtung der Umlaufbahn sagte nichts über die Herkunft: Die Gegenspieler hatten ihre Kampfsatelliten ja mit der Rotation oder gegenläufig abschießen können. Daß sie weder kollidierten noch einander bekämpften, bestärkte die Autoren der „entfremdeten Sphäromachie“ in der Überzeugung, daß das Kriegsspiel „kalt“ geblieben sei und darauf beruhe, die Kampfmittel des Gegners lediglich in Schach zu halten, nicht aber zu vernichten. Hätten sie begonnen, einander Schaden zuzufügen, wäre der „kalte“ Krieg in die Phase einer heißen Eskalation eingetreten. Folglich hielten sich die antagonistischen Orbiter gegenseitig in Schach. Damit das Gleichgewicht der Kräfte erhalten bliebe, müßten die kosmischen Systeme beider Seiten füreinander diagnostizierbar bleiben. GABRIEL indes sei für alle ein fremder Eindringling gewesen und deshalb angegriffen worden. Rotmont illustrierte diesen Aspekt mit dem Beispiel zweier Hunde, die aufeinander loskläffen und einander nicht wohlgesinnt sind, sich aber sogleich zu gemeinsamer Jagd vereinen, kaum daß ein Hase auftaucht.
       Polassar schloß sich dennoch Nakamura an. Zwar wußte man nicht, ob GABRIEL von den Raketen nur einer oder beider Seiten abgefangen werden sollte, der Angriff war jedoch mit einer Präzision erfolgt, die eine vorherige Planung wahrscheinlich machte. Es stand außer allem Zweifel, daß die von dem Botschafter ausgesandten Signale auf dem Planeten empfangen worden waren, und das Ausbleiben einer Antwort hatte keine tatenlose Passivität bedeutet.
       Steergard bezog in dem Streit keine Stellung. Die Lösung der Frage, ob GABRIEL einem von der Quinta aus geplanten und durchgeführten Angriff oder selbständigen Orbitern zum Opfer gefallen war, hielt er für zweitrangig. Ihm ging es darum, daß der Planet den Kontakt verweigerte. Einzig wichtig war daher, ob man ihn erzwingen konnte. „Durch gutes Zureden nicht“, behauptete Harrach. „Ebensowenig durch die Realisierung des ursprünglichen Programms. Je mehr Landefähren wir entsenden, um so mehr Zusammenstöße gibt es. Sie wandeln unsere Abgesandten in defensive Mittel um, bis das ganze Botschafterwesen mit dem Rückzug oder dem Kampf endet. Da wir Kampf nicht wollen und ein Rückzug nicht in Frage kommt, müssen wir, statt nur zu pieken oder zu zwicken, Entschlossenheit zeigen. Man kann sich mit einem Gorilla nicht anfreunden oder ihn zähmen, indem man ihm vorsichtig in den Schwanz beißt.“
       „Der Gorilla hat keinen Schwanz“, bemerkte Kirsting. „Dann nimm ein Krokodil.
       Hör doch auf mit der Wortklauberei! Uns bleibt nichts übrig als eine Demonstration der Stärke. Wer eine bessere Idee hat, soll sie mitteilen.“ Keiner sagte ein Wort, bis Steergard fragte: „Hast du einen konkreten Plan?“
       „Ja.“
       „Nämlich?“
       „Die Kavitation des Mondes. Maximale Wirkung bei einem Minimum an Schäden. Vom Planeten aus sehen sie es, spüren aber nichts davon. Ich denke schon lange darüber nach. GOD hat mir jetzt die Berechnungen geliefert. Der Mond zerfällt so, daß seine Reste auf der Umlaufbahn bleiben. Der Massemittelpunkt ändert sich nicht.“
       „Wie das?“ erkundigte sich der Dominikaner. „Weil die Bruchstücke auf der gleichen Bahn um die Quinta kreisen wie der Mond. Mit diesem bildet der Planet ein binäres System, und da er bedeutend schwerer ist, befindet sich das Rotationszentrum dieses Systems nahe bei ihm. Die Zahlen habe ich mir nicht gemerkt. Jedenfalls bleibt die dynamische Masseverteilung unverändert.“
       „Aber nicht die von der Gravitation bedingten Gezeiten“, wandte Nakamura ein. „Hast du das in Betracht gezogen?“
       „GOD hat es gemacht. Die Lithosphäre wird nicht beben, höchstens seichte seismische Herde können aktiv werden. Ebbe und Flut der Ozeane werden schwächer.
       Weiter nichts.“
       „Und welchen Nutzen soll das bringen?“ fragte Arago. „Das wird nicht nur eine Demonstration der Stärke, sondern eine Information. Vorher schicken wir eine Warnung. Soll ich auf Einzelheiten eingehen?“
       „Kurz“, sagte der Kommandant.
       „Ich möchte nicht, daß mich jemand für ein Ungeheuer ansieht“, sagte mit absichtlicher Gelassenheit der Erste Pilot.

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