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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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absolute Vakuum ist durchaus nicht absolut, sondern voll von virtuellen Teilchen, die so tun, als gebe es sie nicht; Energie kann negativ sein, und es kann daher weniger Energie dasein als überhaupt keine; die Mesonen treiben im Intervall der Heisenbergschen Unbestimmbarkeit betrügerische Spielchen, indem sie die heiligen Sätze der Energieerhaltung verletzen, aber sie tun es so schnell, daß man sie bei dieser Schurkerei nicht erwischt. Es ginge, so beschwichtigte jener berühmte Träger des Nobelpreises für Physik seine Zuhörer, ebendarum, daß die Welt auf Fragen nach ihrem „letztlichen“ Wesen jede „letztliche“ Antwort verweigert. Obwohl man die Gravitation beispielsweise inzwischen wie einen Knüppel zu handhaben verstehe, wisse niemand, was eigentlich das „Wesen“ dieser Gravitation sei. Kein Wunder also, daß die Maschine sich verhalte, als habe sie ein Bewußtsein — um aber festzustellen, ob es das gleiche sei wie beim Menschen, müsse man sich in diese Maschine verwandeln. In der Wissenschaft sei es unerläßlich, Zurückhaltung zu üben: Es gebe in ihr Fragen, die man weder sich selbst, noch der Welt stellen dürfe, und wer dies dennoch tue, handle wie jemand, der einem Spiegel vorwirft, dieser wiederhole zwar jede seiner Bewegungen, wolle ihm aber nicht erklären, wo deren willensmäßige Quelle liege. Dennoch setzten wir Spiegel, Quantenmechanik, Siderologie und Computer ein und hätten davon keinen geringen Nutzen.
       Tempe suchte Gerbert häufiger zu Gesprächen auf, die sich um Näherliegendes drehten: das Verhältnis des Menschen zu GOD. Diesmal aber kam er mit einem persönlichen Kummer zu dem Arzt. Er neigte nicht dazu, über sich selbst Vertrauliches mitzuteilen, nicht einmal gegenüber dem Mann, der ihm das Leben wiedergegeben hatte — vielleicht auch eben deswegen nicht, gerade als sei er der Ansicht, daß er ihm zuviel verdanke. Im allgemeinen also hielt er Gerbert gegenüber seine Zunge im Zaum, er tat dies, seit er auf der EURYDIKE von Lauger das Geheimnis der beiden Ärzte erfahren hatte — ein Schuldgefühl, das sie nicht verließ. Nun hatte ihn nicht die Verzweiflung an sich zu diesem Besuch gebracht, sondern die Tatsache, daß sie ihn — unbekannt, woher — so plötzlich befallen hatte wie eine Krankheit, so daß ihm die Gewißheit verlorengegangen war, weiter die ihm übertragenen Pflichten erfüllen zu können. Er besaß nicht das Recht, daraus ein Geheimnis zu machen. Was ihn der Entschluß gekostet hatte, begriff er erst, nachdem er die Tür geöffnet hatte: Beim Anblick der leeren Kabine empfand er Erleichterung. Obwohl das Schiff ohne Schub flog und Schwerelosigkeit herrschte, hatte der Kommandant Befehl gegeben, alle sollten auf einen jederzeit möglichen Schweresprung vorbereitet sein, bewegliche Gegenstände also befestigen und die persönliche Habe in den Wandfächern verstauen. Dennoch sah Tempe die Kabine des Arztes in Unordnung; Bücher, Papiere, Fotoaufnahmen lagen verstreut, ganz gegen die sonstige, an Pedanterie grenzende Ordnungsliebe Gerberts. Dieser selbst war durch das große Fenster zu sehen, wie er in seinem Garten kniete und Plastikhauben über die Kakteen stülpte. Damit also hatte er die angeordnete Bereitschaft begonnen. Der Pilot gelangte durch den Flur in das Gewächshaus und brummte etwas zur Begrüßung. Der Arzt löste, ohne sich umzuwenden, einen Gurt, der ihn an den Knien auf der Erde — auf richtiger Gartenerde — hielt, und erhob sich wie sein Gast in die Luft. An der gegenüberliegenden Wand rankten sich an einem schräggestellten Netz Pflanzen mit flaumigen kleinen Blättern.
       Tempe hatte, da er von Botanik nicht die geringste Ahnung hatte, schon öfter fragen wollen, wie diese Klimmer hießen, es aber immer wieder vergessen. Wortlos warf der Arzt den Spaten von sich, so daß dieser im Rasen steckenblieb, und nutzte den Schwung, den er sich dabei gegeben hatte, so aus, daß er den Piloten am Arm mit sich zog. Sie schwebten in eine Ecke, wo im Haselgestrüpp wie in einer Gartenlaube geflochtene Stühle standen, Korbstühle mit Sicherheitsgurten.
       Als sie Platz genommen hatten und Tempe zögerte, nicht wußte, wie er anfangen sollte, sagte der Arzt, er habe ihn bereits erwartet. Es gebe daran nichts zu staunen: „GOD hat uns alle im Auge.“
       Die Daten über seinen psychischen Zustand bekam der Betroffene nicht direkt von der Maschine, damit das Gefühl der vollkommenen Abhängigkeit vom Bordcomputer, das

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