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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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der Arzte ohne Aussprache abstimmen oder ihnen zuvor Fragen stellen sollen.“
       Die Mehrheit sprach sich für eine Diskussion aus. Hrus ergriff nicht selbst das Wort, sondern forderte Gerbert auf.
       „In den Worten des Kommandanten steckt ein gewisser Vorwurf“, erklärte dieser, ohne sich von seinem Platz in der obersten Reihe zu erheben. „Er ist an diejenigen gerichtet, die uns die auf dem Titan gefundenen Leichen übergaben, ohne sich um deren Zustand zu kümmern. In dieser Angelegenheit ließe sich eine Ermittlung anstellen, um die Schuldigen zu finden. Ob diese nun unter uns sind oder nicht, ändert nichts an der Situation. Unsere Aufgabe ist die Resurrektion eines Menschen, der nicht viel besser erhalten ist als die Mumie eines Pharaos.
       Ich muß hier auf die Geschichte der Medizin zurückgreifen. Versuche von Vitrifizierungen reichen ins 20. Jahrhundert zurück. Reiche alte Leute ließen sich in flüssigem Stickstoff bestatten in der Hoffnung, eines Tages wieder zum Leben erweckt zu werden. Das war offenkundiger Unsinn. Eine gefrorene Leiche läßt sich nur auftauen, um zu verwesen. Später lernte man, kleine Gewebeteile, Eizellen, Sperma und einfache Mikroorganismen einzufrosten. Je größer der Körper, desto schwieriger die Vitrifizierung. Sie bedeutet eine schlagartige Verwandlung sämtlicher Körperflüssigkeiten in Eis. Dabei muß die Phase der Kristallisierung übersprungen werden, weil die Kristalle eine unumkehrbare Zerstörung des subtilen Zellenaufbaus bewirken. Die Vitrifizierung hingegen macht Körper und Gehirn in einem Sekundenbruchteil zu Glas. Es ist leicht, ein beliebiges Objekt schlagartig zu erhitzen. Es ebenso schnell auf fast null Grad der Kelvinskala abzukühlen ist unvergleichlich schwerer. Die Glockenvitrifikatoren der Opfer vom Titan waren primitiv und funktionierten sehr brutal. Als wir die Container an Bord nahmen, kannten wir ihren Bau noch nicht.
       Deshalb hat sich der Zustand der Leichen als solch eine Überraschung erwiesen.“
       „Für wen und weshalb?“ fragte jemand aus der ersten Reihe.
       „Für mich als Psychoniker, für Terna, der Somatiker ist, und natürlich auch für unseren Chef. Weshalb? Wir bekamen die Container ohne jede Spezifizierung und ohne jeden Plan der Vitrifikatoren des vergangenen Jahrhunderts. Wir wußten nicht, daß die Glocken mit den gefrorenen Männern teilweise durch einen Gletscher gequetscht worden waren und man sie vor Ort in Thermosbehälter mit Flüssighelium gepackt hatte, um sie sofort mit der Fahre zu uns an Bord zu bringen. Vom Start an, seit Herkules uns antrieb, hatten wir vierhundert Stunden lang die doppelte Schwerkraft, und erst danach konnten wir uns die Container vornehmen.“
       „Das ist drei Monate her, Kollege Gerbert“, sagte die Stimme aus der ersten Reihe.
       „Ja. In dieser Zeit haben wir festgestellt, daß wir mit Gewißheit nicht alle wieder zum Leben bringen. Drei fielen von vornherein weg, weil bei ihnen das Gehirn zerquetscht war. Von den übrigen können wir nur einen wiederbeleben, obwohl sich im Prinzip zwei zur Reanimierung eignen. Es geht darum, daß alle diese Leute im Kreislauf Blut hatten.“
       „Richtiges Blut?“ fragte jemand von einer anderen Stelle des Saals.
       „Jawohl. Erythrozyten, Blutplasma und so weiter. Die Angaben über das Blut haben wir in den Holotheken, aber wir können keine Transfusion machen, wir haben ja kein Blut. Daher haben wir Erythroblasten vermehrt, die dem Mark entnommen wurden. Blut ist also da. Aber es gibt noch die Unvereinbarkeit der Gewebe. Zur Reanimation eignen sich zwei Gehirne, die lebenswichtigen Organe jedoch reichen nur für einen Menschen. Einer läßt sich aus diesen beiden zusammensetzen. Das ist mißlich, aber wahr.“
       „Ein Gehirn läßt sich auch ohne Körper wiedererwecken“, sagte jemand aus dem Saal.
       „So etwas haben wir nicht vor“, erwiderte Gerbert. „Wir sind nicht hier, um makabre Experimente anzustellen. Beim heutigen Stand der Medizin müssen sie das nämlich sein. Übrigens geht es nicht um Definitionen, sondern um Zuständigkeiten. Wir mischen uns in Angelegenheiten des Fluges nicht als Astronauten, sondern als Ärzte. Kein Außenstehender kann uns diktieren, wie wir vorzugehen haben. Daher werde ich die Details der Operation hier beiseitelassen.
       Wir müssen das Skelett entkalken und metallisieren. Durch Helium muß der Stickstoffüberschuß aus den Geweben entfernt

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