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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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wissen das auch Sie… Pater Arago.“
       „Ich weiß es. Die Beurteilung der Chancen geht über die menschliche Kraft. Die Medcomputer haben Billionen Berechnungen angestellt und zweien dieser Männer eine Chance von neunundneunzig Prozent gegeben, mit einer Abweichung innerhalb der Grenze eines irreparablen Fehlers — als Chance in der Alternative. Objektive Kriterien gibt es nicht, und daher wage ich, nach den Ihren zu fragen.“
       „Wir stehen vor zwei Problemen“, sagte Gerbert mit einer gewissen Erleichterung. „Als Arzte werden wir gemeinsam mit dem Chef vom Kommandanten bestimmte Änderungen in der Navigation verlangen. Hier werden Sie doch gewiß auf unserer Seite sein?“
       „Ich darf an der Abstimmung nicht teilnehmen.“
       „Nein, aber Ihre Haltung kann Einfluß haben…“
       „Auf das Beratungsergebnis? Das steht doch aber schon fest.
       Ich lasse nicht einmal in Gedanken die Vorstellung zu, es könne eine Opposition geben. Die Mehrheit wird sich dafür aussprechen, m der Hand des Kommandanten hegt die endgültige Entscheidung, und ich würde mich nicht wundern, wenn sie den Ärzten bekannt wäre.“
       „Wir werden größere Änderungen verlangen als in der ersten Festlegung. Neunundneunzig Prozent reichen uns nicht. Wichtig ist jede weitere Stelle hinter dem Komma. Der energetische Aufwand einschließlich des Zeitverzugs wird sehr groß sein.“
       „Das ist mir neu. Und… das zweite Problem?“
       „Die Auswahl der Leiche. Wir sind völlig ratlos, weil wir infolge skandalöser Versäumnisse, die von den Radiotechnikern eleganter als Überlastung der Sendekanäle bezeichnet werden, weder die Namen und Funktionen noch die Lebensläufe dieser Leute feststellen können. In Wirklichkeit ist Schlimmeres passiert als bloße Schlamperei. Als wir diese Container an Bord nahmen, wußten wir nicht, daß das Gedächtnis sowohl der alten Aggregate in diesem Bergwerk, dem Gral, als auch der Rechenmaschinen im Roembden wahrend der Demontagearbeiten beträchtlichen Schaden genommen hat. Die Personen, die für das Schicksal derer, die der Kommandant mit unserem Einverständnis an Bord genommen hat, verantwortlich sind, haben erklärt, die notwendigen Daten seien von der Erde zu bekommen. Nur ist nicht bekannt, wer wann wem solche Anweisungen erteilt hat, man weiß nur, daß alle ihre Hände in Unschuld wuschen.“
       „Das ist immer so, wenn die Zuständigkeiten einer größeren Zahl von Leuten ineinander übergehen. Was freilich niemanden rechtfertigen soll…“
       Der Mönch hielt inne, sah Gerbert in die Augen und fragte leise: „Sie waren dagegen, daß die Opfer an Bord genommen wurden?“
       Gerbert nickte widerwillig. „In dem Trubel vor dem Start mußte jede vereinzelte Stimme untergehen, zumal sie nur die eines Arztes, nicht eines erfahrenen Astronauten war. Davon, daß ich angesichts bestimmter Befürchtungen dagegen war, ist mir heute nicht leichter.“
       „Wie geht es also weiter? Worauf wollen Sie sich einlassen? Wollen Sie würfeln?“
       Gerbert fuhr auf. „Die Wahl wird von niemandem außer uns abhängen — nach der Beratung, falls unsere Forderungen im rein technischen, navigatorischen Bereich erfüllt werden. Wir nehmen eine neuerliche Obduktion vor und durchsuchen den Inhalt der Vitrifikatoren bis zum letzten Härchen und Stäubchen.“
       „Welchen Einfluß auf die Auswahl des Wiederzubelebenden kann seine Identifizierung haben?“
     
       „Möglicherweise gar keinen. Jedenfalls wird das keine für den medizinischen Bereich wesentliche Eigenschaft oder Qualität sein.“
       „Diese Männer sind unter tragischen Umständen gestorben.“ Der Mönch wog sorgfältig seine Worte, er sprach langsam, als bewege er sich auf immer dünner werdendem Eis. „Die einen bei der Ausübung ihrer gewöhnlichen Pflichten, als Arbeiter dieser Bergwerke oder Anlagen. Andere, während sie jenen zu Hilfe eilten. Lassen Sie eine solche Differenzierung — falls sie möglich würde — als Kriterium zu?“
       „Nein.“
       Die Antwort kam augenblicklich und kategorisch. Die Bücherwand vor den Sitzenden Öffnete sich. Terna trat ein und entschuldigte sich wegen seines Zuspätkommens.
       Der Mönch erhob sich. Auch Gerbert stand auf. „Ich habe alles erfahren, was möglich ist“, sagte Arago. Er war größer als die beiden Arzte. Hinter seinem Rücken wandte sich Eva an Adam, die Schlange erklomm den Baum des

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