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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Paradieses.
       „Ich danke Ihnen. Ich habe mich von dem überzeugt, was ich ohnehin zu wissen habe. Unsere Fachgebiete berühren sich. Wir richten niemanden nach Schuld oder Verdienst, ebensowenig wie Sie diesen Unterschied machen, wenn Sie jemandem das Leben retten. Ich halte Sie nicht länger auf, es wird Zeit für Sie. Wir sehen uns auf der Beratung.“
       Sie gingen. Gerbert faßte für Terna in einigen Worten das Gespräch mit dem Apostolischen Beobachter zusammen. In der kreisrunden Flucht des Korridors bestiegen sie das eiförmige, mattsilberne Fahrzeug. Der entsprechende Schacht öffnete sich und schluckte mit einem anhaltenden Seufzer das radlose Vehikel. In den runden Fenstern blinkten die Lichter der durchfahrenen Decks.
       Die beiden Arzte saßen sich schweigend gegenüber. Beide fühlten sich seltsam betroffen von dem Satz, mit dem der Mönch die Summe der Unterredung gezogen hatte. Der Eindruck war aber doch zu vage, als daß er einer Analyse wert gewesen wäre, noch dazu vor dem, was sie erwartete.
       Der Beratungssaal befand sich im fünften Segment der EU-RYDIKE. Das Raumschiff erinnerte, beim Flug von weitem betrachtet, an eine lange weiße Raupe mit kugelförmig gewölbten Segmenten, an eine geflügelte Raupe sogar, denn aus ihren Flanken ragten Tragwerke, die in den Rümpfen der Hydroturbinen endeten. Der abgeflachte Kopf war wie mit Fühlern oder Tastern mit einer Menge von Antennen gespickt. Die kugelförmigen Segmente waren durch kurze Zylinder von dreißig Metern Durchmesser verbunden, und ein innen durchgängiger doppelter Kiel gab ihnen die notwendige Starre, wenn das Raumschiff beschleunigte, mit vollem Schub flog oder bremste. Die Triebwerke, sogenannte Hydroturbinen, waren eigentlich thermonukleare Reaktoren nach dem Staustrahl-Durchström-Prinzip. Als Treibstoff diente ihnen der Wasserstoff des Hochvakuums. Dieser Antrieb hatte sich dem durch Photonen überlegen erwiesen. Die Leistung von Kernbrennstoffen geht bei lichtnaher Geschwindigkeit zurück, weil der Löwenanteil der kinetischen Energie von der Rückstoßflamme weggetragen wird und sich nutzlos im Raum verliert, während sich der Rakete nur ein Bruchteil der freigesetzten Energie mitteilt.
       Der Photonenantrieb wiederum, der durch Licht also, macht es erforderlich, daß das Raumschiff mit Millionen Tonnen Materie und Antimaterie als Annihilisationstreibstoff bepackt wird. Die Staustrahl-Durchström-Triebwerke hingegen benutzen als Treibstoff den interstellaren Wasserstoff. Seine Atome sind allgegenwärtig, aber im Vakuum der Galaxis so verstreut, daß die Triebwerke dieses Typs erst bei einer Geschwindigkeit von über dreißigtausend Kilometern pro Sekunde effektiv werden, während sie ihre volle Leistung bei annähernder Lichtgeschwindigkeit bringen. Ein Raumschiff mit diesem Antrieb kann also nicht selbst von einem Planeten starten, weil es dafür viel zu massiv ist, und es kann sich nicht selbst so weit beschleunigen, daß die in die Reaktoreintritte strömenden Atome die für die Zündung ausreichende Dichte erreichen. Dann jedoch jagen die gähnenden Eintrittsbuchsen so dahin, daß selbst das kosmische Ultrahochvakuum, von ihnen gerammt, genügend Wasserstoff in ihre Schlünde preßt, damit in den Brennkammern künstlich entfachte Sonnenstrahlen aufflammen. Der Lieferungsgrad steigt an, und das nicht durch mitgeführte Treibstoff Vorräte belastete Raumschiff kann mit konstanter Beschleunigung fliegen. Nach knapp einjähriger Akzeleration, die etwa der irdischen Schwerkraft entspricht, erreicht es fast neunundneunzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit, und wahrend an Bord Minuten verrinnen, vergehen auf der Erde Jahrzehnte. Die EURYDIKE war auf einer Umlaufbahn um den Titan gebaut worden, da dieser ihr als Startrampe dienen sollte. Konventionelle thermonukleare Reaktoren hatten viele Billionen der Masse dieses Mondes in Energie für die Umformer verwandelt, die wiederum als Laserkanonen gebündelte Lichtmassen gegen das gigantische Heck des Raumschiffs jagten, vergleichbar den Pulvergasen, die eine Granate aus dem Geschützrohr treiben. Der Mond haue zunächst durch astroingenieurtechnische Arbeiten von seiner dichten Atmosphäre befreit werden müssen, man hatte radiochemische Anlagen und hydronukleare Kraftwerke auf der Platte des Äquatorialkontinents gebaut, deren Gebirgszüge zuvor durch kumulative Hitzeschläge von Einwegsatelliten eingeschmolzen worden waren. Diese Salven hatten ein riesiges Massiv

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