Fiasko
Leuchtendes.
Gleichzeitig hörte er eine von Atemzügen unterbrochene Stimme: „Du bist gerettet und wirst gesund werden. Versuche nicht zu sprechen. Schließe zweimal die Augen, wenn du mich verstanden hast. Zweimal!“ Er tat es.
„Wunderbar. Ich werde mit dir sprechen. Wenn du etwas nicht verstehst, schließt du einmal die Augen.“ Er gab sich große Mühe, dieses Blasse, Rötliche zu erkennen, aber es gelang ihm nicht.
„Er versucht dich zu sehen“, vernahm er jene entferntere Stimme. Woher konnte der Sprecher das wissen? „Du wirst mich und auch alles andere sehen“, sagte langsam der Bariton. „Du mußt Geduld haben. Verstehst du?“ Er bejahte mit den Lidern und wollte etwas sagen, aber es schnorchelte nur etwas in ihm.
„Nein, nein“, wies ihn die Stimme scharf zurück. „Für Unterhaltungen ist es zu früh. Du kannst nicht sprechen, denn du bist intubiert. Du bekommst die Luft direkt in die Luftröhre, du atmest also nicht selbst, sondern wir tun es für dich. Verstehst du? Sehr gut. Jetzt wirst du schlafen. Wenn du erwachst und ausgeruht bist, reden wir miteinander. Du wirst alles erfahren, nun aber träume schon… Einschläfern, Viktor, aber langsam!“
Er sah nichts mehr, als sei das Licht nicht über ihm, sondern m ihm ausgegangen.
Er wollte nicht schlafen, wollte aufspringen, aber schon verflüchtigte sich und verschwand auch das Dunkel, das er selber war.
Er hatte viele Träume, sonderbare, schöne und solche, die man sich nicht merken noch wiedergeben kann. Er hatte eine Fülle unterschiedlicher Empfindungen auf einmal, er ging weit fort und kehrte zurück, sah Menschen und erkannte ihre Gesichter, konnte sich aber nicht erinnern, wer sie waren. Manchmal blieb nur ein unbegrenztes Schauen, erfüllt von einer unsichtbaren Sonne. In diesen Träumen und der Leere dazwischen schienen ihm Jahrhunderte zu vergehen.
Plötzlich wurde er wach, und damit zugleich gewann er den Körper zurück. Er lag auf dem Rücken, in flauschigen, weichen Stoff gewickelt. Er spannte die Rückenmuskeln, in den Schenkeln fühlte er ein Kribbeln. Über sich hatte er einen blaßgrünen, flachen Plafond, neben ihm blitzten irgendwelche Leitungen und Gläser, aber er konnte den Kopf nicht wenden, ein weiches Kissen umfaßte ihn, elastisch angepaßt, bis an die Schläfen und hielt ihn fest. Die Augen konnte er frei bewegen. Hinter einer durchsichtigen Wand standen Apparate, direkt am Rand des Gesichtsfeldes leuchteten hüpfende Lämpchen, und bald erkannte er, daß sie etwas mit ihm zu tun hatten: Wenn er so tief einatmete, daß der Brustkorb sich wölbte, leuchteten sie im selben Rhythmus auf. Dort aber, wohin er kaum noch schielen konnte, zeigte sich in langsamem Gleichmaß etwas Rötliches, dessen schwingende Bewegung ebenfalls Schritt hielt — mit ihm, mit seinem Herzschlag.
Er zweifelte nicht mehr daran, daß er sich in einem Krankenhaus befand. Ein Unfall also. Aber wann und wie? Er runzelte die Stirn und wartete, daß das Gedächtnis eine Erklärung hergab, aber vergebens. Er lag reglos, schloß die Augen und konzentrierte seinen Willen auf die Frage, aber es kam keine Antwort.
Es war ihm nicht mehr genug, daß er, wenn der Stoff ihn nicht umhüllt hätte, beliebig Beine, Arme und Finger bewegen konnte, er versuchte sich zu räuspern, führte die Zungenspitze an den Zähnen entlang.
„Ich“, sagte er endlich. „Ich!“
Er erkannte die eigene Stimme. Wem aber diese Stimme zu eigen war, wußte er nicht, und er begriff nicht, wie das sein konnte. Er suchte die ihn behindernde Umhüllung abzuwerfen und spannte mehrmals die Muskeln an, als ihn eine schwere, sonderbar plötzliche Schläfrigkeit überkam und er wieder in sich erlosch wie die Flamme einer niedergebrannten Kerze.
Er zählte die Tage nicht. Der Lebensablauf auf dem Raumschiff war auf einfache Weise geordnet: er stimmte mit dem Rhythmus auf der Erde überein. Tagsüber lagen alle Decks, die Korridore und die Tunnelübergänge zwischen den einzelnen Rumpfsegmenten in hellem Licht. Um zehn Uhr begann die Dämmerung, indem sich das von Decken und Wänden strahlende, goldüberhauchte Weiß abschwächte, etwa eine Stunde lang herrschte ein blaues Halbdunkel, bis das Licht ganz erlosch und nur die an der Decke hinlaufenden Leuchtröhren dem einsamen Wanderer den Weg wiesen.
Diese Zeit liebte der Erwachte nämlich am meisten. Er konnte die EURYDIKE auch bei Tage
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