Fiasko
auch zur plötzlichen und vollständigen Entladung kommen, wenn die Sensoren des Panzers die Drosselung kurzschlössen. Dann hätte der gesamte Strom die zweifach gewickelte Spule umlaufen und in einer magnetischen Explosion gesprengt.
Zwischen den Akkumulatoren und dem Gehäuse befanden sich Säcke oder Taschen, die mit Schlacke gefüllt waren. Dort liefen halbgläserne Adern mit einem matt spiegelnden Innern, vielleicht erodierte Lichtleiter.
Nakamura nahm an, dieses Wrack sei einst einer Überhitzung ausgesetzt gewesen, die einen Teil der Baugruppen angeschmolzen und die Sensoren vernichtet habe.
Rotmont sah für die Zerstörungen eine kalte, katalytische Ursache, so als hätten irgendwelche — zweifellos unbelebte — Mikroparasiten das Leitungsnetz im Vorderteil des Satelliten zerfressen, und dies vor sehr langer Zeit.
Innen zogen sich über den Panzer in mehreren Schichten Zellen, die an Bienenwaben erinnerten, aber viel kleiner waren. Nur durch die Chromatographie ließen sich in ihrer Asche Silikosäuren nachweisen, die Siliziumentsprechungen der Aminosäuren mit der doppelten Wasserstoffbrücke. Hier gingen die Ansichten der Männer, die das Wrack ausschlachteten, definitiv auseinander. Polassar hielt diese Reste für die Innenisolation des Panzers, Kirsting hingegen für ein Zwischensystem zwischen lebendem und unbelebtem Gewebe, ein Produkt der Technobiologie von unbekannter Herkunft und Funktion.
Die Diskussion über die Protokolle war lang und hitzig. Die Männer vom HERMES hatten vor sich den Beweis, welcher technologischen Leistungen die Quintaner vor einem Jahrhundert fähig gewesen waren. In etwa ließen sich die theoretischen Grundlagen dieser Technik mit dem irdischen Wissen Ende des 20. Jahrhunderts vergleichen. Zugleich aber ließ mehr noch als jeder Sachbeweis die Intuition erahnen, daß die Entwicklung dieser fremden Physik in ihrer Hauptrichtung schon damals von der irdischen abgewichen war. Eine synthetische Virusologie oder eine Technobiotik ist nicht möglich ohne die vorherige Beherrschung der Quantenmechanik, die wiederum, noch kaum fortgeschritten, den Weg zur Spaltung und Synthese von Atomkernen weist. In dieser Epoche sind atomare Mikromeiler die beste Energiequelle für Satelliten und kosmische Sonden. In diesem Satelliten jedoch gab es keine Spur von Radioaktivität. Sollten die Quintaner die von Explosion und Kettenreaktion geprägte Etappe der Nukleonik übersprungen und gleich die Konversion der Schwerkraft in Quanten starker Wechselwirkung erreicht haben? Dagegen sprach allerdings die piezoelektrische Batterie dieses alten Satelliten.
Schlimmer war es mit dem anderen. Er hatte eine Batterie negativer Energie, wie sie bei Unterlichtgeschwindigkeit in den Schwerefeldern großer Planeten entsteht. Sein Pulsationsantrieb war durch einen gezielten Treffer zertrümmert worden, möglicherweise durch einen Schuß gebündelten Lichts von Gigajoule-Stärke. Radioaktivität wies er nicht auf. Die inneren Versteifungen bildeten Faserbündel von monomolekularem Kohlenstoff — eine beachtliche Leistung der Festkörpertechnologie. In einer unversehrten Kammer hinter der Kraftzentrale fanden sich geborstene Rohre aus supraleitfahigen Verbindungen, leider genau dort unterbrochen, wo es „interessant“ wurde, wie Polassar verzweifelt klagte.
Was konnte dort gewesen sein? Die Physiker ergingen sich bereits in Vermutungen, die sie unter irdischeren Verhältnissen niemals anzustellen gewagt hätten. Hatte dieses Wrack vielleicht einen Brüter von instabilen Superschweren Kernen enthalten? Von Anomalonen? Aber wozu? Wenn es ein unbemanntes Forschungslabor gewesen wäre, hätte das einen Sinn gehabt. Aber war es ein solches gewesen? Und warum erinnerte das geschmolzene Metall hinter der Einschußstelle an eine archaische Funkenstrecke? Die supraleitfähige Niobiumlegierung wiederum wies in den unversehrten Leitungen leere Stellen auf, hineingefressen durch endothermische Katalyse, als hätten sich dort irgendwelche „Eroviren“ von Strom oder vielleicht von den Supraleitern ernährt.
Das Merkwürdigste waren kleine Zerstörungsherde, die in beiden Satelliten entdeckt wurden und keinesfalls durch gewaltsame äußere Einwirkung entstanden sein konnten. Meist waren die Leitungsübergänge gleichsam zerfressen und zerkaut worden, wodurch eine Perlenschnur von Hohlräumen entstanden war. Rotmont, in seiner Funktion als Chemiker zu Hilfe gerufen,
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