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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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hielt sie für das Ergebnis der Aktivität makromolekularer Partikel. Es gelang ihm, eine größere Menge zu isolieren. Sie hatten die Gestalt asynchronischer Kristalle und behielten ihre selektive Aggressivität bei. Manche griffen ausschließlich Supraleiter an.
       Rotmont zeigte seinen Kollegen unterm Elektronenmikroskop, wie diese unbelebten Schmarotzer sich in die Fäden einer supraleitfähigen Niobiumverbindung fraßen, die ihnen zur Nahrung diente, da sie sich auf Kosten der verdauten Substanz vermehrten. Der Chemiker bezeichnete sie als „Viroiden“, und er glaubte nicht, daß sie innerhalb des Satelliten von selbst entstanden sein konnten. Er nahm an, die Apparatur sei bereits wahrend der Montage verseucht worden. Zu welchem Zweck? Als Experiment? Aber hätte man den Satelliten dazu auch noch in den Raum zu schießen brauchen?
       Der Gedanke an vorsätzliche Sabotage während des Baus dieser Anlagen drängte sich auf, eine Vermutung, die freilich sehr gewagt war: Sie setzte voraus, daß hinter diesen Erscheinungen ein Konflikt steckte, der Effekt einer Kollision widerstreitender Absichten. Anderen roch diese Konzeption zu stark nach anthropozentrischem Chauvinismus. Konnte es nicht eine Anfälligkeit der Apparatur auf ihrem molekularem Niveau sein? Eine Art Krebs unbelebter Gebilde von subtiler, komplizierter MikroStruktur? Für den ersten, den alten Satelliten, die Schildkröte, die während der Jagd als Falter bezeichnet worden war, schloß der Chemiker eine solche Eventualität aus, für den anderen aber konnte er dies nicht mit analoger Gewißheit tun.
       War auch der Zweck nicht ersichtlich, für den die beiden Raumfahrzeuge konstruiert worden waren, so fiel doch der technische Fortschritt in die Augen, der sich seit dem Bau des ersten vollzogen hatte. Dennoch hatten die „Eroviren“
       in beiden Satelliten anfällige Fraßstellen gefunden. Einmal auf dieser Fährte, konnte und wollte sie der Chemiker nicht mehr aufgeben. Die mikroelektronische Untersuchung von Proben, die beiden Geräten entnommen worden waren, ging schnell, weil sich ein Analysator unter der Kontrolle GODs damit befaßte. Ohne diese Geschwindigkeit hätte ein Jahr für diese Nekrohistologie nicht ausgereicht. Das Resultat lautete: Bestimmte Elemente beider Satelliten hatten eine spezifische Widerstandsfähigkeit gegen den katalytischen Fraß gewonnen, und zwar auf eine so eng umrissene Weise, daß man in Analogie zu lebendigen Organismen und Erregern von immunologischen Reaktionen sprechen konnte. Die Vorstellungskraft entwarf bereits das Gemälde eines mikromilitärischen Kriegs, der ohne Soldaten, Geschütze und Bomben auskam, eines Krieges mit der besonders präzisen Geheimwaffe halbkristalliner Pseudoenzyme. Wie stets, wenn man einem Problem hartnäckig auf die Spur zu kommen sucht, klärte sich auch hier der Sinn der entdeckten Phänomene nicht auf, sondern unterlag im Zuge der weiteren Arbeit neue Komplikationen. Die Physiker, der Chemiker und Kirsting kamen kaum noch aus dem Hauptlabor heraus. Auf unbelebten Nährboden vermehrte sich ein reichliches Dutzend Verbindungen für „Angriff“ und „Verteidigung“, zugleich aber verwischte sich die Grenze zwischen dem, was integraler Bestandteil der fremden Technik, und dem, was zum Zwecke der Zerstörung in sie eingedrungen war. Kirsting erklärte, absolut objektiv gedacht, sei dies überhaupt keine Grenze: Nehmen wir an, auf der Erde erscheine ein superkluger Supercomputer, der von den Erscheinungen des Lebens nichts weiß, weil bereits seine elektronischen Urahnen vergessen hatten, daß sie einst von biologischen Wesen gebaut worden waren. Er beobachte und untersuche nun einen Mann, der den Schnupfen und im Grimmdarm Stäbchenbakterien hat. Ist der Aufenthalt von Viren in der Nase des Mannes dessen „integrale, natürliche Eigenschaft“ oder nicht? Nehmen wir an, der Mann fällt während der Untersuchung um und schlägt sich eine Beule am Kopf. Diese Beule ist ein Bluterguß unter der Haut, die Gefäße sind beschädigt. Diese Beule kann aber ebensogut angesehen werden als eine Art Stoßdämpfer, der entstanden ist, um den knochigen Schädel wirksam vor einem weiteren Schlag zu schützen. Ist eine solche Interpretation abwegig? Sie kommt uns lächerlich vor, aber es geht hier nicht um Witze, sondern um den Standpunkt außermenschlichen Erkennens.
       Steergard hörte sich die zerstrittenen Experten an, nickte und gab ihnen weitere fünf Tage Zeit. Es

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