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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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redeten durcheinander.
       „Laß mich wissen, wenn sie zu sich gekommen sind. Zeit haben wir genug.“
       Mit diesen Worten stieß sich der Kommandant von der Klappe ab, schoß zwischen den Nackten wie zwischen weißen Fischen hindurch und verschwand im Durchgang zum Steuerraum.
     
       Nach Prüfung der Lage verließ Steergard mit kleinstem Schub den Schattenkegel und führte das Raumschiff auf eine Ebene der Ekliptik, um erste Beobachtungen anzustellen. Die Quinta war nahe der Sonne als Sichel zu sehen, ganz in Wolken gehüllt. Das Rauschen hatte sich auf vierhundert Gigawatt verstärkt. Die Fourier-Analysatoren konnten keinerlei Modulation nachweisen. Der HERMES hatte sich bereits mit einer Hülle überzogen, die jede nichtthermische Strahlung schluckte, so daß er mit Radar nicht zu orten war. Steergard wollte lieber übertriebene Vorsicht walten lassen, als sich auch nur das geringste Risiko zuschulden kommen lassen. Eine technische Zivilisation bedeutete Astronomie, diese wiederum empfindliche Bolometer, und so konnte selbst ein Asteroid, der wärmer war als das Vakuum, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Daher auch wurden in den Wasserdampf, der jetzt zum Manövrieren diente, Sulfide gemischt, an denen seismische Gase reich sind. Vulkanisch aktive Asteroiden sind zwar eine Rarität, zumal mit einer so kleinen Masse wie der des Aufklärers, aber der umsichtige Kommandant hatte Sonden in den Raum entsandt und auf das eigene Raumschiff gerichtet, um sich zu vergewissern, daß der für die fernere Korrektur des Fluges unerläßliche Gebrauch kleiner Dampftriebwerke selbst bei der beabsichtigten Annäherung an die Quinta nahezu unerkennbar war. Der Anflug sollte vom Mond aus erfolgen, um zunächst diesen genau zu untersuchen.
       Alles war bereits im Steuerraum versammelt. Hier herrschte Schwerelosigkeit, und man kam sich vor wie im Innern eines großen Globus mit einem konischen Winkel, abgeschlossen von der Wand der Monitore. Die Sessel waren mit einem Haftbezug versehen — man brauchte, um festzusitzen, nur die Armstützen zu packen und den Körper an das Gewebe zu drücken. Wollte man aufstehen, mußte man sich kräftig abstoßen. Das war einfacher und besser als die Benutzung von Gurten. Zu zehnt saßen sie also da wie in einem kleinen Kinosaal, und die vierzig Monitore zeigten den Planeten, jeder in einem anderen Bereich des Spektrums. Der größte, zentrale Monitor konnte eine Synthese vornehmen und die monochromatischen Bilder je nach Befehl übereinanderlegen.
       In den Lücken der von Passaten und Zyklonen geballten Wolken zeichneten sich undeutlich die stark zerklüfteten Küsten der Ozeane ab. Die einzelnen Filtereinstellungen ließen die Oberfläche einmal des Wolkenmeeres, dann wieder des darunter verborgenen Planeten erkennen. Gleichzeitig hielt GOD seinen eintönigen Vortrag. Er verlas den letzten Funkspruch der EURYDIKE.
       Biela vermutete seismisch verursachte Beschädigungen der technischen Infrastruktur der Quintaner. Lakatos und einige andere standen zur sogenannten naturalistischen Hypothese: Die Bewohner des Planeten schleuderten einen Teil des Wassers der Ozeane in den Raum, um die Festlandsfläche zu vergrößern. Der vom Ozean auf seinen Boden ausgeübte Druck ließ nach, und infolgedessen wurde das Gleichgewicht in der Lithosphäre gestört. Der von innen kommende Druck rief große Brüche der Kruste hervor, die unter dem Ozean am dünnsten war. Deshalb hörte man auf, Wasser in den Kosmos zu befördern. Kurz, das ganze Unternehmen schlug katastrophal auf den Planeten zurück.
       Andere hielten diese Hypothese schon deshalb für falsch, weil sie die anderen unverständlichen Erscheinungen nicht berücksichtigte. Überdies hätten Geschöpfe, die zu Arbeiten im Maßstab des ganzen Planeten fähig waren, die seismischen Folgen vorausgesehen. Berechnungen zufolge, denen als Ausgangsmodell die Erde diente, konnten kataklytische Bewegungen der Lithosphäre eintreten, wenn mindestens ein Viertel des Ozeanvolumens entfernt worden wäre. Selbst eine durch die Beseitigung von sechs Trillionen Tonnen Wasser verursachte Druckminderung wäre nicht imstande gewesen, globale Verwüstungen anzurichten. Eine Gegenhypothese vermutete eine Katastrophe nach dem Prinzip der Kettenreaktion oder der „Dominostein-Theorie“ als unerwünschten Effekt von Versuchen mit schlecht beherrschter Gravitologie. Andere Mutmaßungen sprachen von absichtlicher Destruktion einer veralteten

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