Fida (German Edition)
Gesprächsthema und wollte wissen: „Was würdest du tun, um deine Mutter wiedersehen zu können?“
„Alles!“, brach es aus Laura heraus. Zum ersten Mal seit Monaten stand sie ohne Fesseln vor ihm, doch wegen dieser Frage fühlte sich noch gefangener als zuvor. Sie begann zu weinen. „Dafür würde ich einfach alles tun!“
Lauras Gedanken und Gefühle überschlugen sich, als er ihr daraufhin andeutete, was sie nur tun und worum sie ihn bitten musste, um ihren Wunsch, ihre Mutter zu sehen, noch am selben Tag wahr werden zu lassen. Sie suchte in seinem Gesicht nach einem Anzeichen dafür, dass er sie verarschte oder nur einen grausamen Scherz machte. Doch er beteuerte, dass er es ernst meinte. Schließlich umschloss er ihr Kinn mit seiner Hand. Er zwang sie, ihn anzusehen, schaute ihr tief in die Augen und sagte: „Ich meine es ernst. Du darfst noch heute hier raus und deine Mutter sehen. Aber vorher musst du mich um etwas bitten…“
Kapitel 16
18. April 2013
Letzte Nacht dachte sie eine Ewigkeit darüber nach. Auch heute Morgen geht es ihr nicht aus dem Kopf. Klar ist ihr der Kerl mit dem Rad zutiefst unsympathisch, weil er sich mehr als rüpelhaft benahm. Vielleicht ist er einfach nur ein Arschloch. Genau das, als was sie ihn bei ihrer ersten Begegnung bezeichnete. Trotzdem könnte er völlig bedeutungslos sein. Wie er mit dem Rad seine Benzinkanister transportierte, als sie ihn das nächste Mal sah, war ebenfalls seltsam, aber nicht unbedingt verdächtig. Für so etwas konnte es durchaus plausible Gründe geben. Möglicherweise war sein Auto irgendwo liegengeblieben. Oder er hatte gar keins und brauchte das Benzin, um Laub in seinem Garten zu verbrennen. Das wäre zwar illegal, würde sie aber nicht interessieren – und vor allem würde ihn noch lange nicht zu einem Schwerverbrecher machen. Aber dass er nicht nur einmal, sondern gleich mehrmals auf Lauras Bildern auftauchte, das findet Tatjana wirklich mehr als merkwürdig. Vielleicht kannte er Laura, hatte sich irgendwie an sie herangemacht oder hatte sonst was mit ihrem Verschwinden zu tun. Die Polizei hatte doch gefragt, ob Laura Freunde oder Bekannte hätte, an die man noch nicht dachte. Sie glaubte zwar kaum, dass dieser Typ ein Freund ihrer Tochter war, aber er könnte doch ein Späher einer dieser Mädchenschlepperbanden sein, hinter denen die Kripo her war. Oder ein schmieriger, brutaler Bordellbesitzer, der junge Mädchen entführte und in seinem Etablissement zu Gott weiß was zwang. Seine Optik würde zu diesem Bild passen, so muskulös und durchtrainiert wie er wirkte. Genau so würde sie sich den Türsteher eines solchen Schuppens vorstellen. Ein Muskelprotz, der alles im Griff hat – vor allem die Mädchen. Ok , denkt sie weiter, die Chancen sind groß, dass ich den Kerl nur nicht mag und er rein zufällig ins Bild stolperte. Doch was, wenn nicht?
Tatjana startet ihren Computer und speichert sich die Bilder vom Speicherherz auf ihrem PC ab, bevor sie es abzieht, die andere Hälfte vom Tisch nimmt und es wieder zusammenfügt.
Sie wünscht, mit ihrem eigenen Herzen könnte sie ebenso verfahren. Kurz spürt sie einen Stich, weil ihr Jochen in den Sinn kommt. Genauso schnell wischt sie den Gedanken an ihn und das damit einhergehende Gefühl wieder beiseite. Tatjana hat beschlossen, das Herz zur Polizei zu bringen. Vielleicht ist der Inhalt bedeutungslos, vielleicht auch nicht. Das sollen die Beamten herausfinden. Ihr Kopf ist voll genug. Sie kann nicht noch mehr Zweifel brauchen, die sie verrückt machen und ihr den Schlaf rauben.
Die Beamten werden den Typen überprüfen und in meinem Kopf herrscht wieder Ruhe , ist ihr durchaus vernünftiger Leitgedanke, als sie eine halbe Stunde später die Polizeiwache betritt. Eigentlich ist die Kriminalpolizei für Lauras Fall zuständig, doch deren Sitz ist in der größeren, 20 Kilometer entfernten Kreisstadt und Jochen hat ja das Auto mitgenommen. Darum beschließt sie, sich an die örtliche Polizei zu wenden. Am besten an den Beamten, der ihren Fall bereits kennt. Tatjana muss einen Augenblick überlegen, bis ihr sein Name einfällt. Eine Eselsbrücke führt sie zu ihm. Klang wie Likör. Likar! Ja, das war es! Er könnte der Sache nachgehen, oder das Fundstück zumindest an die Kripo übermitteln. Hauptsache sie zerbricht sich nicht weiter den Kopf darüber.
An der vollverglasten Empfangstheke, hinter der ein einsamer Wachmeister sitzt, fragt sie nach: „Ist Herr Likar im
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