Fida (German Edition)
der zu Besuch kommt, und redete mit ihr. Erzählte ihr von sich, redete über Filme, die er gesehen hatte, oder fragte sie aus, über ihr Zuhause und ihre Kindheit. An solchen Tagen gab es auch was Normales zu essen. Manchmal brachte er Pizza mit.
An anderen Tagen war er mies drauf, überhaupt nicht gesprächig, und dann musste man aufpassen, ihn nicht noch mehr zu verärgern.
„Bei Fuß, Fida!“, war an solchen Tagen das Erste, was sie von ihm hörte, nachdem er sich die Hose aufgeknöpft und es sich auf seinem Stuhl bequem gemacht hatte. Dann musste sie zu ihm rüber kriechen, ihm seine Stiefel lecken wie ein Hund und ihm danach einen runterholen, oder – noch schlimmer – ihn oral befriedigen. Meist war er danach zufrieden, warf ihr noch etwas zu essen hin und füllte ihrem Wassernapf auf, bevor er wieder verschwand.
Am Brenzligsten wurde die Lage, wenn er auffällig gut gelaunt, mit einem dreckigen Grinsen im Gesicht, unten ankam. Das bedeutete, dass die bevorstehenden Stunden extrem schmerzvoll und demütigend würden und der Fraß, den er ihr am Ende als Belohnung vorsetzte, tatsächlich nicht mehr als Hundefutter war. Schamgrenzen, die sie einmal gehabt hatte, wurden radikal verschoben und sie lernte schnell, dass Widerstand die Sache nur schlimmer machte. Insubordination gab ihm, in seinen Augen, erst recht einen Grund sie zu strafen. Dieses Wort war ihr vor ihrem Aufenthalt im Keller vollkommen fremd gewesen, doch inzwischen kannte sie seine Bedeutung nur zu gut. Sie hatte dazugelernt. Selbst bedingungsloser Gehorsam, das wusste sie mittlerweile, schützte zwar nicht vor Gewalt, aber diese fiel nicht ganz so brutal aus, wenn sie auf Gegenwehr und Stolz verzichtete. Zum Selbstschutz ließ sie über sich ergehen, was auch immer er mit ihr anstellte. Aber ein starker, widerstandsfähiger Teil von ihr hatte bislang weder die Hoffnung, noch die eigene Identität aufgegeben. Er versuchte, sie zu brechen, sie zu dressieren, nahm ihr die Freiheit und ihren eigenen Namen weg, zwang sie immer wieder Fida zu sein, deren Leben nicht mehr wert war als das eines Hundes. Doch so oft er sie auch schlug und missbrauchte: In ihrem Inneren war sie immer Laura. Und sie hatte die Hoffnung gerettet zu werden, gefunden – oder dass ihm ein Fehler unterläuft, der ihr die Flucht ermöglicht. An diese Hoffnung klammerte sie sich, wie eine Ertrinkende an die letzten noch im Wasser treibenden Planken eines versunkenen Schiffes. Das gab ihr Halt, während sie schmerzverkrümmt und blutend im Dunkeln lag und sich davor fürchtete, dass das Licht wieder anging.
Laura zuckte zusammen, als die nackte Glühbirne über ihr zum Leben erwachte. Sein fröhliches „Alles Gute zum Geburtstag, mein Engel!“, mit dem er sie an diesem Tag begrüßte, wirkte wie eine Ohrfeige. „Ich habe eine Überraschung für dich!“
Schon der Tonfall machte ihr klar, dass ihr keiner der angenehmeren Besuche bevorstand. Den Inhalt seiner Worte fand sie nicht weniger beängstigend. Konnte das sein? War heute tatsächlich ihr Geburtstag? War sie wirklich schon drei Monate hier unten? Sie hatte ihr Gefühl für Zeit vollkommen verloren. Zusätzlich beunruhigte sie die Tatsache, dass er heute zuerst die Tür abgeschlossen hatte, von Innen, bevor er die Treppe herunter kam. Das tat er sonst nicht.
Tom setzte sich auf seinen Stuhl. Er hielt drei Päckchen in den Händen, ein großes und zwei kleine. „Ich hab dir was mitgebracht, Süße“, grinste er sie an und winkte mit den Geschenken.
Wie immer machte ihr sein Lächeln Angst. Doch vielleicht, ausnahmsweise, hatte sie sich ja getäuscht und heute würde doch kein so schlimmer Tag. Abgesehen davon, dass sie noch immer in diesem Drecksloch gefangen war. Hoffentlich, überlegte sie, war in den Päckchen etwas drin, womit sie hier unten etwas anfangen konnte. Ein neues Buch vielleicht, oder etwas Warmes zum Anziehen.
Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnte war, dass heute der Tag war, an dem er sie brechen und all ihre Hoffnungen unter Ohnmacht und Hilflosigkeit begraben würde. Denn für heute hatte er etwas ganz Besonderes geplant.
Tom reichte ihr das erste Päckchen – das größere der Beiden. „Na los, pack es aus!“, forderte er sie lächelnd auf. Entspannt lehnte er sich in seinem Sessel zurück, grinste und kratzte sich an den Eiern.
Er sah zu, wie sie die Schleife löste, die er um das Geschenk gewickelt hatte, das Papier aufriss und einen großen Karton zu Tage förderte.
„Ich
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