Fieber an Bord
ziehen.«
»Nein.« Es war nur dies eine Wort, aber es hallte wie ein Schuß durch den Raum.
Hardacre sagte: »Dann werde ich jetzt ins Dorf gehen und mit Tinah sprechen. Wir müssen Vorkehrungen treffen.« Er sah Bolitho an. »Zweifellos haben auch Sie noch einiges zu klären.«
Als die Tür sich hinter ihm schloß, sagte Raymond: »Ich habe meine Ve rantwortung, und Sie sind hier, um mich nach Kräften zu unterstützen.«
»Ich kenne meine Befehle, Sir.« War es möglich, daß er so ruhig sprach, obwohl er nichts anderes wünschte, als Raymond bei den Revers seiner kostbaren Robe zu packen und ihn zu schütteln, bis er blau im Gesicht wurde?
»Gut. Meiner Meinung nach wird de Barras Tuke entweder überwinden oder nach Frankreich zurückkehren, wenn er erfährt, was sich ereignet hat. So oder so braucht er uns nicht mehr zu interessieren. Es wird zum Krieg kommen, wenn er nicht schon begonnen hat, und wir müssen die Levu-Inseln unseren Anweisungen entsprechend vorbereiten.« Sein Mund wurde hart. »Und ich möchte doch annehmen, daß Sie in der Lage sind, Tukes Schoner zu vertreiben, falls er uns zu nahe kommen sollte.«
»Wissen Sie, was ich denke, Sir?« Bolitho beugte sich aus dem Fenster und packte mit beiden Händen das Sims, um zu verhindern, daß sie zitterten. »Ich glaube, daß es hier keine Niederlassung geben wird, weder jetzt noch irgendwann. Krieg, wie wir ihn kennen, war nichts als Blechmusik. Der Krieg, der kommt, wird von Giganten ausgefochten. Für Inseln und die Gouverneure, die sie regieren, wird kein Bedarf bestehen, noch wird man Zeit für sie haben.« Langsam atmete er tief ein, roch die See und spürte, wie sie ihn anzog. »Und hierher wird weder Nachschub noch Verstärkung kommen.«
»Sind Sie verrückt?« platzte Raymond heraus. »Was glauben Sie denn, weshalb man mich hergeschickt hat?« Bolitho sah ihn nicht an. »Denken Sie darüber nach. Ich wurde Ihretwegen hier draußen festgehalten, weil ich vor fünf Jahren Ihre Autorität in Frage gestellt und zwischen Ihnen und dem Mann stand, dem Sie Unrecht getan und dessen Karriere Sie vernichtet haben. Aus anderen, persönlichen Gründen benutzten Sie Ihren Einfluß, mich hier stranden zu lassen. De Barras ist ein anderer Fall. Er wurde zu spät aus Frankreich verbannt. Inzwischen haben seines-gleichen Wut und Haß geschürt, die sich auch gegen uns wenden und unsere Welt zu zerstören versuchen werden. Und Sie? Finden Sie es nicht merkwürdig, daß es Sie in unsere kleine Welt verschlagen hat?«
Da er keine Antwort erhielt, drehte er sich um. Raymond starrte vor sich auf den Tisch, die geöffneten Depeschen lagen zwischen seinen Armen ausgebreitet.
Schließlich sagte er heiser: »Sie irren sich. Selbstverständlich werde ich Unterstützung bekommen. Ich habe mein ganzes Leben gearbeitet, um angemessene Anerkennung zu finden. Ich werde nicht untätig bleiben und zusehen, daß alles ...« Mühsam stand er auf, seine Augen funkelten. »Ich bin hier Gouverneur. Sie werden tun, was ich sage.«
Regungslos standen sie einander gegenüber wie zwei Fremde.
Als Bolitho sich dann abwandte, um zu gehen, hörte er Stimmen draußen auf dem Hof und Schritte auf der Treppe. Es war weder Hardacre noch sein Aufseher, sondern Leutnant Keen. Er trug nur Hemd und Breeches und schien außer sich vor Sorge zu sein.
»Tut mir leid, daß ich Sie störe, Sir.«
Er wirkte so elend, daß Bolitho ihn am Arm faßte und auf die Treppe hinausführte.
»Was gibt es?«
»Ich habe eine Freundin, Sir. Sie, sie ...«
»Ja, ich habe sie gesehen.« Bolitho hatte keine Ahnung, um was es ging. »Sprechen Sie weiter.«
»Ich war mit ihr zusammen. Ich hatte meinen Dienst beim Arbeitskommando beendet und die Leute zu ihrem Quartier gebracht, und dann ...« Schweiß rann ihm über das Gesicht, als er herausplatzte: »Um Gottes willen, Sir, ich fürchte, bei uns ist Fieber ausgebrochen!« Er wandte sich ab, seine Schultern bebten. »Sie liegt nur einfach da, kann nicht sprechen.« Er brach völlig zusammen.
Bolitho blickte an Keen vorbei auf die Bäume und das schimmernde Wasser dahinter. Eine neue Morgendämmerung? Es war eher wie der letzte Tag.
Nachdenken.
»Ich komme gleich mit Ihnen.« Er kehrte in den Raum zu Raymond zurück und kramte in Papieren, bis er ein Blatt fand, auf das er schreiben konnte. »Ich muß eine Nachricht an Allday schicken.« Raymond fragte dumpf: »Was murmeln Sie da vor sich hin?« Bolitho antwortete: »Ich würde Ihnen empfehlen, das Tor
Weitere Kostenlose Bücher