Fieber an Bord
aber ihre Augen waren feucht von unterdrückten Gefühlen. Wenn der verwundete Marinesoldat nicht so schnell gehandelt hätte, wäre sie vielleicht von den Eingeborenen gepackt und fortgezerrt worden, ehe es jemand verhindern konnte. Schon bei dem Gedanken überkam ihn Übelkeit.
Der einzige Vorteil war, daß sie jetzt mehr Leute im Boot hatten, um die Riemen zu bedienen und dadurch den anderen öfter eine kleine Ruhepause zu gönnen. Dagegen...
Er sah Evans an, der kaum noch bei Bewußtsein war, und Penneck, den Kalfaterer der Tempest , der eine tiefe Halswunde von einem Speer davongetragen hatte. Er nahm die Rumflasche heraus, spürte, wie sich aller Augen auf sie richteten, sah, wie Big Tom Frazer sich abwandte, um seine Gier zu verbergen.
»Je einen Schluck für Evans und Penneck.« Und über die Köpfe der Leute hinweg sah er sie an. »Und, glaube ich, für die Lady.«
Keen sagte heiser: »Aye, Sir. Sie vor allem.«
Doch sie schüttelte den Kopf. »Nein. Für Rum habe ich mich noch nie erwärmen können.«
Verschiedene Männer lachten, zunächst unterdrückt, doch dann in einer schier unbeherrschbar aufbrausenden Woge, der niemand Herr zu werden in der Lage schien.
Bolitho berührte Keens Schulter. »Sie sollen es sich ruhig von der Seele schaffen. Es steht ihnen noch genug bevor.«
Er sah, wie Pyper mit den anderen einstimmte, wie sich sein Gelächter in hilflose Tränen verwandelte, die ihm unbeachtet wie Regen übers Gesicht rannen.
Nach einer Weile rissen sie sich zusammen, manche überrascht, andere beschämt, aber keiner machte eine Bemerkung über ihr Verhalten. Die Riemen begannen sich wieder zu heben und zu senken, und nach einer weiteren Stunde war die kleine Bucht im Dunst versunken, der die hinter ihnen liegenden Inseln wie mit einem Schleier verhüllte.
Dann ruhten sie sich aus, verteilten Verpflegung, tranken Wasser, blickten das Meer ringsum und einander in dumpfer Ergebenheit an.
Voraus und zu beiden Seiten wurden die Inseln seltener und kleiner. Sie würden wieder landen müssen, um Wasser zu finden und Nahrungsmittel zu sammeln. Und die ganze Zeit über begleitete die Sonne sie, strahlte sengend auf sie herab, verbrannte ihre Entschlossenheit, ihren Willen zu überleben. Und als die Nacht schließlich kam, brachte sie keine Linderung. Denn nach dem Schock ihres Erlebnisses auf der Insel und der Hitze des langen Tages schien die Luft kalt wie Eis, so daß die nicht an den Riemen Eingesetzten sich schaudernd vor Kälte eng zusammendrängten.
Am nächsten Tag zeigte sich trotz aller Vorsicht wieder die gleiche Gefahr. Hinter der üppigen Vegetation einer Insel verfolgten wachsame Augen ihre behutsame Annäherung. Als sie sich bereitmachten, das Boot auf den Strand zu ziehen, wurden sie wi eder angegriffen, zurückgetrieben und fast bewußtlos geschlagen von einem Hagel fliegender Felsbrocken und Steine, bis sie gezwungen waren, sich in tieferes Wasser zurückzuziehen.
Bolitho beobachtete Keen und Pyper bei der Verteilung der Verpflegung und suchte auf den Gesichtern der anderen nach Anzeichen von Unmut oder Mißtrauen. Die Rationen mußten genau gleich groß sein. Nur eine Spur von Gier oder Begünstigung, und diese loyalen und disziplinierten Männer konnten wie blutgierige Wölfe übereinander herfallen. Wenn es ihnen nur gelungen wäre, sich vor ihrer Abfahrt mehr Lebensmittel zu beschaffen. Doch falls Raymond erfahren hätte, was sie beabsichtigten, sei es von seinen Wachen oder aus dem Dorf, wären sie nicht einmal bis zur Pier gekommen.
Blissett griff nach seiner Muskete. »Bitte um Feuererlaubnis, Sir.« Er beobachtete einen kreisenden Seevogel. Seine Augen waren plötzlich lebendig vor Jagdeifer.
Bolitho nickte. »Aber warten Sie, bis wir näher sind. Sonst bekommt unser Freund die Beute.« Er sah sich nach der verräterischen Rückenflosse um. Jetzt konnte er sich ohne Furcht oder Neugier mit ihr abfinden. Sie war nur ein Teil des Ganzen, ein Risiko mehr.
Der Vogel fiel sauber beim ersten Schuß. Es war ein Tölpel, fast von der Größe einer Ente.
Sie standen oder kauerten um den Vogel herum, bis Bolitho sagte: »Wir werden ihn aufteilen. Aber das Blut müssen die Schwächsten bekommen.«
Zuerst angeekelt, nahmen die Männer ihre kleinen Portionen entgegen und verschlangen sie dann plötzlich verzweifelt. Das Blut wurde vorsichtig durch das schwankende Boot gebracht und Evans, dem verletzten Matrosen Colter und schließlich Penneck gegeben.
Unmittelbar vor
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