Fieber an Bord
auf den Kopf fiel. Der Getroffene drehte sich aber gleich hastig um und keuchte: »Bitte um Entschuldigung, Ma'am.« Sie lachte über seine Verlegenheit. »Mein Vater war Soldat. Von ihm habe ich Schlimmeres gehört.«
Ihre Worte lösten bei Bolitho einen neuen Gedanken aus. Wie wenig wußte er doch von ihr. Sie hatte durch die Lektüre der Gazett e und Gespräche mit seinen Vorgesetzten über ihn viel mehr erfahren, und dennoch war in den fünf Jahren ihrer Trennung seine Liebe zu ihr stärker geworden, statt zu verblassen.
Allday schleppte ein Netz voll Kokosnüsse zu den Booten. Er blieb bei Bolitho stehen, zog sein Entermesser und wählte sorgfältig eine der Nüsse aus.
»Hier, Captain.« Die Klinge blitzte in der Sonne und trennte die Spitze der Nuß sauber wie einen Skalp ab. »Hiesiges Gebräu.« Es schien ihn zu amüsieren.
Bolitho hob die Nuß an die Lippen und trank die Milch.
»Danke. Das ist wie ...« Er setzte die Nuß zwischen seinen Beinen auf den Sand, seine Gedanken rasten. »Allday!«
Bolithos Ton ließ ihn erstarren. »Nicht umdrehen. Auf der anderen Seite der Bucht, unmittelbar beim Wasser, habe ich ein Gesicht gesehen.«
Allday nickte und rief Frazer an. »Big Tom, bring das Zeug hier ins Boot.« Er drehte sich um und ging wieder den Strand hinauf, blieb nur bei Viola Raymond stehen, um ihr kurz etwas zu sagen.
Bolitho erhob sich langsam und streckte die Arme. Da war es wieder: eine schnelle Bewegung zwischen den dichten Zweigen, das Aufglitzern von etwas Blankem in der Sonne. Es dauerte zu lange. Die Männer gingen mit steifen Beinen zum Wasser hinunter, wie schlechte Darsteller einer reisenden Truppe von Komödianten.
Quare kam eilig auf Bolitho zu, die Muskete über der Schulter. »Wo, Sir?«
Wie auf Signal erschienen mehrere Gestalten aus dem dichten Grün, grimmig wirkende Wilde, ganz anders als jene, denen Bolitho in der Umgebung der Siedlung begegnet war. Ob sie von der Nordinsel oder woanders her kamen, war kaum von Bedeutung. Wahrscheinlich hatten sie sich schon vorher hier verborgen, noch ehe die Boote am Strand gelandet waren. Er zählte sie. Über zwanzig, und alle mit Speeren und kurzen Messern bewaffnet. Einer, offensichtlich eine Art Anführer, hatte sich mit mehreren Ketten aus Glasperlen geschmückt. Das von ihnen reflektierte Sonnenlicht hatte sein Versteck verraten. Bolitho schätzte die Entfernungen vom oberen Rand des Strandes bis zu den Booten, von den schweigend beobachtenden Eingeborenen bis zu seinen Leuten.
Ruhig sagte er: »Bleibt ruhig, Jungs. Sie wollen herausbekommen, was wir vorhaben. Wenn sie glauben, daß wir von einem in der Nähe liegenden Schiff sind, gehen sie vielleicht wieder. Wenn nicht, kann uns ein Kampf bevorstehen.«
Pyper sagte verzweifelt: »Dort drüben sind noch mehr, Sir. Bei den roten Blüten.«
Kein Wunder, daß Quares Wachtposten sie nicht gesehen hatten. Sie mußten durch das seichte Wasser und die Brandung nähergekommen sein, um die Wachen zu umgehen.
Der eine mit den Perlenketten hob die Hand und rief etwas mit dünner Stimme. Dann deutete er auf Bolitho, in dem auch er den Anführer erkannt hatte, und senkte sehr langsam den Arm in Richtung auf Viola Raymond. Er wackelte mit dem Kopf und schnitt eine Grimasse, dann griff er sich in sein krauses Haar, und alle in seiner Nähe taten das Gleiche und grinsten. Die Farbe ihres Haars faszinierte ihn wohl, aber seine einfache Pantomime war bedrohlicher als ein offener Angriff.
Bolitho hob eine Hand. »Freunde!« rief er.
Ein paar Eingeborene näherten sich wie zufällig in der Brandung, und Bolitho durchschaute sofort ihren Plan.
»Zieht euch auf die Boote zurück, aber langsam«, befahl er. Das anscheinend ziellose Vorgehen war der Versuch, zwischen die Seeleute und ihre Boote zu kommen oder sie von der kleinen Gruppe unter den Bäumen abzuschneiden. Plötzlich dachte er an Herrick. Diesmal gab es keine Rettung im letzten Augenblick durch Schwenkgeschütze, die unter den stummen Gestalten am Ufer Entsetzen verbreiteten.
Er sagte: »Mr. Keen, wir nehmen nur ein Boot. Übernehmen Sie das Kommando, und bringen Sie es zu Wasser. Sergeant Quare, lassen Sie den Verwundeten durch ein paar Leute helfen.« Er bemerkte, daß Allday und Miller ihn beobachteten. »Wir bleiben hier stehen. Keine weitere Bewegung.«
Bolitho hörte den Kutter über Sand knirschen, das angestrengte Keuchen der Männer, die sich bemühten, das Boot in tieferes Wasser zu schieben. Ein Versuch, mit beiden Booten
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