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Fieber an Bord

Fieber an Bord

Titel: Fieber an Bord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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gemeldet: »Der Mann hat keine Zunge. Sie ist ihm abgeschnitten worden.«
    In dem Langboot hatte man sonst nur noch eine Metallscheibe gefunden, mit dem eingraviertan Namen ›Orlando‹. Der Name eines Schiffes, eines Menschen, eines Stücks der Ladung? Niemand wußte es.
    Bolitho hatte den Verdacht, daß das Boot von einem Sklavenschiff stammte und der große Neger entweder zu fliehen versucht hatte oder als Warnung für andere ausgesetzt worden war.
    Doch als die Tempes t Land erreichte, wollte der Schiffbrüchige nicht von Bord, trotz allem, was ihm in jeder denkbaren Sprache gesagt wurde. So war er unter seinem neuen Namen Orlando in die Musterrolle eingetragen und unter die Besatzung aufgenommen worden.
    Da der Amerikaner Jenner besser als die meisten anderen mit Orlando zurechtkam, hatte Herrick die beiden der Achterwache zugeteilt. Der Besanmast war mit seiner Takelage der bei weitem unkomplizierteste auf einem Rahsegler, und Orlandos Stummheit und Jenners Verträumtheit, die selbst die Berührung mit dem Tampen des Bootsmanns nicht hatte heilen können, richteten dort noch am wenigsten Schaden an.
    Auch das war wieder typisch für Herrick. Er war stets um seine Leute besorgt, und seine Ideale, das eigensinnige Festhalten an seinem Rechtsgefühl, hatten ihn mehr als einmal in wirkliche Gefahr gebracht.
    Bolitho wünschte Herrick schon lange die Beförderung, die er in so hohem Maß verdiente. Doch der Friede, die vielen arbeitslosen Seeleute, hatten für ihn jede Chance blockiert. Herrick hatte Glück, daß er überhaupt wieder eingesetzt worden war. Im Gegensatz zu Bolitho stammte er aus einer armen Familie. Für das, was er heute besaß, hatte er schwer gearbeitet. Daß er die See liebte, war ein mühsam erworbener Bonus.
    »Sir! Das Fockbramsegel reißt sich los!«
    Bolitho wischte sich das Salz aus den Augen und versuchte, in die Takelage hinaufzublicken. Dann hörte er es, das unregelmäßige Knattern und Schlagen von Segeltuch, das sich von der Rah löste, sich mit Wind füllte und die Trimmung des Schiffes zu gefährden drohte.
    Herrick legte die Hände als Trichter um den Mund. »Mr. Borlase! Schicken Sie Ihre Leute hinauf! Mr. Jury, klar zum Stagsegel setzen!«
    Keuchend drehte er sich um. »Wenn das Bramsegel nicht in Fetzen davonfliegt, sondern sich füllt, brauchen wir das Stagsegel, um die Balance zu behalten.« Er grinste. »Mein Gott, wie schnell man denken kann, wenn es drauf ankommt.«
    Bolitho nickte. Herrick hatte prompt und richtig reagiert, ohne erst auf einen Befehl zu warten. Wenn das Segel völlig lose kam, was immer noch geschehen konnte, ehe sich die Matrosen zum Vortopp hinaufgekämpft hatten, würde der Bug herumgezogen werden, und damit konnte sich ihre Lage in dem noch zunehmenden Sturm dramatisch verschlechtern.
    Er sah, wie der Bootsmann seine Leute unter dem Großmast versammelte und wie andere durch hüfttiefes Wasser auf ihre Stationen wateten. Strenge Ausbildung und eine scharfe, manchmal brutale Disziplin hatten es sie gelehrt. Noch bei totaler Finsternis und tobendem Sturm fanden sie sich zurecht wie Blinde in der vertrauten Enge ihrer Hütte. Auch Borlase war aktiv. Seine Stimme übertönte das Brausen des Windes, als er seine Männer am Vormast zur Eile trieb. Wenn er die Stimme hob, klang sie schrill und durchdringend, und Bolitho wußte, daß die Midshipmen hinter seinem Rücken darüber wenig schmeichelhafte Bemerkungen machten. Merkwürdig, wie wenige je an das Skylight auf dem Achterdeck dachten. Die Stimmen der wachhabenden Offiziere waren für den Kapitän leicht zu verstehen. Bolitho hatte seine Lektion als Midshipman frühzeitig gelernt, als ihm sein damaliger Kapitän durch das Skylight zurief: »Noch mal! Ich habe nicht genau verstanden. Wo, sagten Sie, hätten Sie dieses Mädchen kennengelernt?«
    Dies alles und vieles mehr hatte er versucht, Viola Raymond zu schildern, als sie Passagier auf seinem Schiff gewesen war. Vielleicht rührte daher seine quälende Sorge um sie, die mit jeder Stunde, die verstrich, stärker wurde.
    »Anscheinend gibt es Probleme, Sir.« Herrick beugte sich über die Reling. Über seinen Rücken und an seinen Beinen lief das Wasser hinunter. Er schrie: »Was ist los?«
    Borlase kam nach achtern. Mühsam hielt er sich trotz der starken Schräglage aufrecht.
    »Es geht um Mr. Romney, Sir! Er ist oben auf der Bramrah.« Noch im Tosen des Windes klang seine Stimme gereizt. »Die Lage ist auch ohne ihn schon riskant genug ...« Bolitho

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