Fieber an Bord
schien endlos lange zu dauern und seine schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen, bis ihm dann endlich aus dem Bauch des Schiffes ein wachsender Chor von Schreien und Schluchzern antwortete.
»Schnell hinunter, Leute!«
Bolitho wartete, bis weitere Matrosen mit Laternen zur Luke geeilt waren, und kletterte dann mit ihnen in das nächste Deck hinunter. Neben einer weiteren verschlossenen Luke stand ein Stuhl aus der Offiziersmesse, mit einem Trinkgefäß in Reichweite, und kennzeichnete die Stelle, wo bis zum Augenblick ihres Angriffs ein Wachtposten gesessen hatte.
Wieder schoben sie schwere Balken beiseite und hoben den Lukendeckel: ein kleiner Laderaum, wohl für Vorräte des Kapitäns und der Offiziere des Schiffes benutzt. Unbeleuchtet und schlecht belüftet, war er von Wand zu Wand mit Menschen vollgepfercht. Bolitho schien auf einen dichten Teppich menschlicher Gesichter zu blicken, die sich entsetzt und verstört nach oben wandten: Männer und Frauen, verdreckt und heruntergekommen, im letzten Stadium des Vegetierens.
Bolitho sprach so gelassen er konnte: »Fürchten Sie sich nicht. Meine Leute werden für Sie sorgen.«
Sein kleines Kommando? Er wußte nicht, wie viele gefallen oder verwundet waren. Bewaffnet oder nicht, wenn diese Menschenmasse sie angriff, hatten sie nur wenig Chancen. Dort unten mußten annähernd zweihundert Personen sein. Miller trat an die Luke, schien sich wieder gefaßt zu haben.
Seine Stimme klang fest, als er einige Leute anwies, in den Laderaum hinunterzusteigen. Gedämpft sagte er: »Mr. Ross hat drei Drehbassen mit Schrapnell laden und auf die Luke richten lassen. Bei der geringsten Aufsässigkeit werden sie von Deck gefegt, ehe sie wissen, was sie trifft.«
Er hatte seinen Kampfrausch also noch nicht überwunden.
Die Menschen, die aus dem vollgepferchten Laderaum langsam auftauchten, boten jedoch einen schrecklichen Anblick. Manche stützten sich gegenseitig aus Schwäche oder Furcht. Einer von ihnen, mit einer Schnittwunde über dem Auge und einem Gesicht, das vor Prellungen fast schwarz war, trug eine Matrosenjacke.
»Wer sind Sie?« fragte Bolitho.
Der Mann starrte ihn verständnislos an. Allday führte ihn am Arm beiseite, fort von dem Zug langsam auftauchender Jammergestalten.
Dann antwortete der Mann endlich: »Archer, Sir. Böttcher auf der Eurotas .«
Bolitho fragte leise: »Und die Passagiere? Wo befinden sie sich?«
»Passagiere?« Das Nachdenken schien ihm schwer zu fallen.
»Ich – ich glaube, sie sind noch im Orlop, Sir.« Er deutete hinter sich. »Die meisten hier sind Deportierte. Wir stecken seit Tagen da unten.« Er starrte wild um sich. »Wasser! Ich muß Wasser haben.«
Bolitho befahl: »Öffnen Sie jedes Wasserfaß, das Sie finden, Miller, und teilen Sie Rationen aus. Sie wissen, was Sie zu tun haben.« Er schob seinen Degen in die Scheide. »Mr. Ross soll ein Boot zu Sergeant Quare und seinen Leuten schicken.« Sein Verstand weigerte sich noch, an die notwendigen Details zu denken. Zu Allday gewandt, fügte er hinzu: »Zum Orlop! Schnell.«
Eine weitere Luke, eine weitere Leiter, führten unter die Wasserlinie. Selbst auf einem so großen Schiff wie der Eurota s war nicht Platz genug, um unter Deck aufrecht zu stehen.
Laternen schwankten wie zum Gruß, als vorn weitere Matrosen durch eine andere Luke das Orlopdeck erreichten. Winzige Kabinen, eigentlich nur Löcher, säumten den Mittelgang, fast wie jene auf einem Kriegsschiff, in denen die Funktionäre ohne Tageslicht hausten: Segelmacher und Böttcher wie dieser Archer, Zimmerleute und Proviantmeister.
»Öffnet die Türen!«
Er hörte eine Frau hysterisch schluchzen; ein Mann weiter vorn sprach ihr tröstend zu.
Allday rief: »Hier, Captain!«, und hob seine Laterne, um Bolitho zu leuchten.
Sie saß auf einer umgestürzten Kiste, den Arm um ein Mädchen mit langem, schwarzem Haar gelegt, wahrscheinlich das Mädchen, das oben an Deck gehetzt worden war.
Das Mädchen stöhnte, das Gesicht gegen Viola Raymonds Schulter gepreßt, und ihre Finger krallten sich wie kleine, gierige Krallen in das mattweiße Kleid.
Bolitho konnte nicht sprechen. Hinter sich hörte er ein wildes Durcheinander von Weinen und Schluchzen: Menschen, die wieder vereint waren, und andere, die erfolglos nach Verwandten oder Freunden suchten.
Doch das alles geschah wie auf einem anderen Stern.
Viola erhob sich langsam, zog das Mädchen mit hoch. »Geh mit ihm.« Sie drückte es fester an sich, als das Mädchen
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