Fieber an Bord
hinüberblickte.
Selbst jetzt war Herrick nicht sicher, was Bolitho wirklich dachte. Für jeden, der ihn nicht so gut kannte, schien der Kommandant wie immer der aufmerksame, an seiner Umwelt interessierte Offizier zu sein. Sorgfältig studierte er die Karte, verglich seine Aufzeichnungen mit denen von Lakey, dem Steuermann.
Herrick wußte nicht viel von den Levu-Inseln, nur daß sie etwa zweihundert Meilen im Norden des Archipels lagen, wo sie die Eurota s zurückerobert hatten. Jetzt schleppten sie sich vorwärts, behindert durch das langsamere Handelsschiff, das die Tempes t in Luv aufmerksam überwachte.
Bolitho blickte auf. »Erinnern Sie sich an den alten Mudge, Thomas?«
»Gewiß.« Herrick schmunzelte. Mudge war Steuermann auf der Undin e gewesen. »Er muß der älteste Mann im Dienst des Königs gewesen sein, vielleicht überhaupt der älteste auf See. Sechzig Jahre hat er zugegeben, aber er ist nie darüber hinausgegangen. Schade, daß er nie Mr. Lakey kennengelernt hat. Wenn die beiden sich eines Tages im Himmel treffen, haben sie einander viel zu erzählen.« Bolitho war nachdenklich. »Er wußte eine Menge über diese Gewässer. Wie er mich zurechtwies, wenn ich befahl, alle Segel zu setzen ... Aber auch wie er knurrte, wenn wir so wie jetzt dahinkrochen!«
Herrick blickte auf, als er Keens Sc hritte über sich auf dem Achterdeck hörte. Borlase hatte das Kommando über die Eurota s erhalten. In gewisser Weise war das bedauerlich, dachte Herrick, denn Borlase mochte Raymond zuviel anvertrauen. Andererseits war Herrick froh, hier bei Bolitho zu sein. An Borlases Stelle wäre er vielleicht gegenüber diesem Lump Raymond zu deutlich geworden.
Er fragte: »Was erwarten Sie, auf den Levu-Inseln vorzufinden, Sir?«
Bolitho ging zu den Heckfenstern und starrte zum schwankenden, dunstigen Horizont hinaus; die glitzernde See sah aus wie ein riesiger, siedender Kessel.
»Einen Flaggenmast, Thomas, und ein paar angestrengt arbeitende britische Beamte. Weitgehend das, was wir schon kennen.«
Noddall tappte in die Kajüte, eine Kaffeekanne in seinen Pfötchen. »Hier ist noch ein Rest drin, Sir.«
»Gut.« Bolitho hielt ihm seinen Becher hin. »Ich komme zwar davon ins Schwitzen, aber Kaffee ist wenigstens etwas, das nicht schimmelig oder ranzig schmeckt.«
Ein neuer Tag, die gleiche leere See. Er hatte sich angewöhnt, jedesmal, wenn er an Deck den Kompaß und ihren Standort überprüfte, die Sekunden zu zählen. Die Sekunden, ehe er sich gestattete, zu dem bauchigen Rumpf der Eurota s hinüberzublicken. Sie schien stets in der gleichen Position zu bleiben, in den Wanten der Tempest wie in einem riesigen Netz gefangen. In Wirklichkeit hielt sie sich ein ganzes Stück in Lee, zu weit entfernt, um sie ohne Glas zu überprüfen. Und auch diese Gelegenheiten mußten bemessen, rationiert werden.
Er hörte einige gedämpfte Schüsse und wußte, daß die Marineinfanteristen wieder übten, aus den Masten auf bewegliche Ziele schossen, die Sergeant Quare warf. Plötzlich sagte Herrick: »Es hat keinen Zweck, Sir. Ich muß darüber sprechen.«
»Gut.« Bolitho wandte sich ihm zu. »Ich habe so etwas erwartet. Bringen wir es also hinter uns.«
Herrick stellte seinen Kaffeebecher vorsichtig auf den Tisch.
»Das alles ist Ihnen nicht neu, aber ich bin deshalb nicht weniger besorgt. Ich ... Auf mich kommt es nicht an. Ich werde nie über die Offiziersmesse hinauskommen und bin darüber auch ganz froh, seit ich gesehen habe, wie sehr ein Kommando einen Mann aushöhlen kann. Aber Sie haben eine Familientradition zu wahren, Sir. Als ich Ihr Haus in Falmouth mit all diesen Porträts sah, wußte ich, daß es mein Glück war, unter Ihnen dienen zu können. Ich weiß, was dazu gehört, Kommandant zu sein. Es ist nicht gerecht, daß Sie wegen dieser Affäre in Gefahr kommen.«
Bolitho lächelte ernst, obwohl ihm das Herz wehtat.
»Mit ›dieser Affäre‹ meinen Sie wohl meine Unvorsichtigkeit, ebenso der Liebe zu verfallen wie jeder andere?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, Thomas. Ich werde niemandem erlauben, dieser Frau zu nahe zu treten, nur um mich zu treffen. Eher schicke ich Raymond zur Hölle!« Er wandte sich ab. »Jetzt haben Sie es geschafft, daß ich die Beherrschung verloren habe.«
Herrick entgegnete mühsam: »Auf die Gefahr hin, Sie noch mehr zu verletzen: Ich glaube auch, daß Kommodore Sayer richtig gehandelt hat, als -«, er hob verlegen die Schultern, »als er Sie hier an Bord
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